Heft 
(2017) 103
Seite
134
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134 Fontane Blätter 103 Rezensionen und Annotationen realistische Darstellung des physischen Todes. In Müllers vergleichender Betrachtung der literarischen Darstellung des Sterbens und des Todes der Ehebrecherinnen Emma Bovary und Effi Briest wird die enorme Verschie­denheit der beiden Ehebruchsromane sinnfällig: Flaubert beschreibt Emmas Leiche schonungslos. Bei Fontane findet sich, Effis Tod betreffend, eine Leerstelle(typographisch herausgehoben durch mehrere Leerzeilen, d.h. einem»blanc«); mit einigem Abstand erfolgt die Erwähnung der »weißen Marmorplatte, darauf stand nichts als ›Effi Briest‹ und darunter ein Kreuz« ein Grab ohne weitere Inschrift, was es beim»Gräberspezialisten« Fontane eigentlich nicht gebe; doch, so L. Müller:»Der gesamte Roman ist diese Inschrift.« Mit der»Ehebrecherin« befasst sich auch Sabine Engel: Sie analysiert das venezianische Gemälde Christus und die Ehebrecherin(16. Jhd.), durch­for­stet diesbezüglich Fontanes Reiseaufzeichnungen anlässlich seiner Italie­reise im Jahre 1874 und bezieht ihre Befunde auf den Roman LAdultera. Geklärt wird dabei die verwickelte Rezeptionsgeschichte des lange Zeit Tintoretto zugeschriebenen Gemäldes der»Adultera«, das Fontane in Vene­dig betrachtet haben könnte; anschließend erörtert S.  Engel die Wir­kung des Gemäldes im Roman LAdultera, der fünf Jahre nach dem Venedig-Aufenthalt entstand. Aus der Perspektive ihrer kultur- und kunst­­geschichtlich grundierten Interpretation erweist sich Fontane als eigen­wil­liger Connaisseur, der hinsichtlich der Figur der»Ehebrecherin« im Sinne des Renaissance-Humanismus, der dem venezianischen Gemälde Christus und die Ehebrecherin eine starke emotionale Wirkung verleihe, vor allem »Milde« walten lasse. Die Abteilung»Fontane-Rezeption im 20. und 21. Jahrhundert« wird eröffnet von Manuel Köppen: Er analysiert die Effi Briest-Verfilmungen, eine»Mini-Serie deutscher Filmgeschichte«, bestehend aus bislang fünf Spielfilmen mit durchweg prominenter Besetzung, ausschließlich deutsche Produktionen(das internationale Filmgeschäft konnte der ›preußischen‹ Ehebrecherin offenbar bis dato nichts abgewinnen). M. Köppen lenkt die Aufmerksamkeit auf die Entstehungsgeschichten, die filmästhetischen und mentalitätsgeschichtlichen Besonderheiten der fünf Effi Briest ­Filme: Der Schritt vom Wege(1939) von Gustav Gründgens/Ufa; Rosen im Herbst(BRD 1955) von Rudolf Jugerts; Effi Briest(DDR 1969/70) von Wolfgang Luderer; Fontane Effi Briest(BRD 1972–74) von Rainer Werner Fassbinder; Effi Briest(D 2009) von Hermine Huntgeburth. M. Köppen macht nachvollziehbar, wie die Bezugnahme der einzelnen Spielfilme aufeinander funktioniert, wobei sich(abgesehen von der ersten Effi Briest ­Verfilmung) nur Fassbinder diesem interfilmischen ›Spiel‹ widersetzt habe. Zwei literarische Rezeptionsweisen in Form des Romans beleuchtet Maria Brosig: Sie liest Moritz Bielers Roman Maria Morzeck oder das Kaninchen bin ich(1969) und Günter de Bruyns Neue Herrlichkeit(1984)