Heft 
(2017) 103
Seite
136
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136 Fontane Blätter 103 Rezensionen und Annotationen ­Untertreibung. Helmuth Nürnberger schrieb maßgebende Studien über Joseph Roth, Franz Grillparzer, Stefan Zweig, Rainer Maria Rilke, Sigrid Damm und viele andere Autorinnen und Autoren. Die Liste mit ihren Na­men ist erstaunlich groß und die Substanz der Studien ist hochkarätig. Zur genannten Sammlung mit der Vielfalt an Studien gesellt sich nun ein Buch, das ganz und gar Helmuth Nürnbergers Leitstern Theodor ­Fontane gewidmet ist:» Auf der Treppe von Sanssouci«. Studien zu Fontane. In ihrem Vorwort verwenden die Herausgeber den schönen Begriff»sym­pathetisch«, um die geheimnisvolle Wirkung von Nürnbergers Stil anzu­deuten(S. 10). Die Lust am Schreiben und die Lust am Spiel mit der Sprache sind in jeder der hier ausgewählten Studien Nürnbergers zu Fontane spür­bar vorhanden und verschaffen dem Leser anhaltende Freude. Der Leser steht bei Helmuth Nürnberger nicht draußen vor der Tür, sondern ist will­kommener Gast, an den allerdings Ansprüche gestellt werden. Wenn man duselnd liest, übersieht man die köstlichen Finessen. In allen hier gesammelten Texten spricht ein menschlich engagierter Forscher, vielleicht am persönlichsten in» Ein Schloß stieg auf…«. Kinross House eine visuelle Anregung für Fontanes Rheinsberg-Erlebnis am ­Leven-See? Wer gibt auf behutsame Weise die Anregung zur Vertiefung von Fontanes Erlebnis in Schottland? Es ist Helmuth Nürnberger, der sich in Fontanes Reisedarstellung einmischt und die Beschreibung ergänzt. Im Kapitel Lochleven-Castle in Jenseit des Tweed nimmt Fontane erstaunli­cherweise das prominente, unübersehbare Kinross House nicht wahr. Das läßt Helmuth Nürnberg nicht zu. Er ergänzt die Beschreibung mit den Sät­zen:»[] der für das Publikum geöffnete Garten gewinnt sogleich die Sympathie des Betrachters. Seine klare Schönheit wird durch die Aussicht auf das historische Gemäuer im See friedvoll erweitert der große Archi­tekt William Bruce bedurfte keiner künstlichen Ruine, um eine romanti­sche Stimmung zu vermitteln. Seine luzide Konzeption setzte wie von selbst zwei Zeitalter miteinander in Beziehung«(S. 161). Die Sprache nähert sich der vertrauten Fontaneschen Art der Beschreibung. Der Schluß macht diese Nähe noch deutlicher sichtbar:»Das ist schon alles, was sich mit Si­cherheit sagen läßt. Wem dies zu wenig ist, der fahre an einem Sommertag zum Leven-See. Der Garten von Kinross-House blüht, und seine Farben hauchen dem grau-goldenen Sandstein des Palastes frisches Leben ein. Zwischen den Bäumen des Inselchens im See ragen die Mauerreste des al­ten Douglas-Schlosses auf, zeitweilig das unfreiwillige Domizil von Schott­lands unglücklicher Königin[]«(S. 166). Hier berühren sich Fontanes Stil und die Darstellungsweise Helmuth Nürnbergers. Helmuth Nürnbergers besonderes Interesse gilt Fontanes Aufenthalten in England. Drei der Studien handeln von Fontanes Erfahrungen in London­und Schottland. Hier und auch in den Beiträgen über Fontanes Briefstil, über Künstler als Themen Fontanescher Gedichte und über die uropäische