144 Fontane Blätter 103 Vermischtes […] Hauptmann Jordan, die ich erst in Wagner eingeführt habe, die aber nachher rückwirkend meine eigentliche Begeisterung angefacht hat. Frau Jordan ist denn auch das Stichwort, wo es entweder zu reden oder zu schweigen gilt, und hier könnte ich schreiben und schreiben und könnte das Thema doch nicht erschöpfen. Aber Dir als meiner alten guten Freundin werde ich viel davon erzählen, Deiner Teilnahme darf ich ja gewiß sein. Für heute Schwamm drüber.[…] Aber motus![pst] in Bezug auf die letzte Seite!!!« 14 Wie aber war George Fontane überhaupt unter die Soldaten geraten? Wie Theodor Fontane selbst so hat auch sein Ältester das Gymnasium nicht bis zum Ende absolviert. In Untersekunda, da ist er sechzehn, wird er nicht versetzt. Soweit wir wissen, scheint eine Wiederholung der Klasse oder ein Schulwechsel nicht in Erwägung gezogen worden zu sein. Vater Fontane hatte ohnehin eine Abneigung gegen examinierte Weisheit.»Der Durchschnitts-Fontane … ist immer aus Oberquarta abgegangen und hat sich dann weitergeschwindelt, das beste Teil seiner Bildung aus Journalen 3. Ranges zusammenlesend. Ich war schon eine Ausnahme«. 15 In souveräner Selbsterkenntnis sieht er im Leben selbst den besten Wissensvermittler und entscheidenden Bildungsfaktor. Entsprechend handelte der Vater, als es darauf ankam. »[... ] wir beschließen, ihn Soldat werden zu lassen«, heißt es in seinem Tagebuch von 1868 lapidar. 16 Wir? Nein, diese Entscheidung geht allein auf seine Kappe, durchaus normal nach den damaligen Familienusancen, aber ganz und gar unverständlich bei diesem Jungen, der zu nichts weniger geschaffen ist als zu einem Militär. Und der Vater weiß das. Aber er kennt auch sich selbst, sein lebenslanges Hadern mit der materiellen Seite des Lebens, die innere Spannung zwischen persönlichem Freiheitsstreben, Anerkennungsbedürfnis und sozialem Anpassungszwang, dieses ewige nicht wissen wohin und wie morgen weiter. Zahllos sind die uns bekannten Äußerungen Fontanes zu diesem Thema. Selbst in ihrer Widersprüchlichkeit lassen sie eine nie gestillte Sehnsucht nach Existenzsicherheit erkennen. Auf welchem beruflichen Feld, mochte nachrangig bleiben, solange es gesellschaftlich anerkannt war. Und das galt für das Militär in Preußen in hohem Maße, vor allem für den Offiziersstand, ganz im Gegensatz zu Fontanesdamaliger Journalistenexistenz(zum Romancier wurde er ja erst viele Jahre später), die in seinen Augen immer nur eine Randexistenz ohne Reputation sein konnte. So steht es um den Vater, als er den Sohn»wohlüberlegt«, wie er betont hat, 17 auf einen Lebensweg mit vorhersehbar scharfen, im Kriegsfall zudem Tod bringenden Bedingungen schickt. Mit der Armee kannte sich Fontane aus. Intensiv ist er um diese Zeit als halboffizieller Kriegshistoriograph mit dem letzten erfolgreichen Feldzug von 1866 beschäftigt. Auch Georges jugendlicher Blick wird vom frischen Schlachtenruhm des preußischen
Heft
(2017) 103
Seite
144
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