Heft 
(2017) 103
Seite
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Theodor und George Fontane Streiter-Buscher 145 ­Militärs beeindruckt gewesen sein. Berlin als bevorzugter Schauplatz des glitzernden Staatswesens mag in dem Sechzehnjährigen den Wunsch nach Zugehörigkeit verstärkt haben. Jedenfalls scheint er mit der Vorstellung von sich selbst als Offizier in der allerersten Zeit einverstanden gewesen zu sein 18 »überraschenderweise«, wie Henriette von Merckel festgehalten hat. 19 Der Sechzehnjährige konnte die Tragweite der Entscheidung für eine Offizierslaufbahn nicht ermessen und ebenso wenig das geringe Zutrauen des Vaters in die ökonomische Zukunftsfähigkeit musikalischer Anlagen. Zu jener Zeit scheint Fontane rückblickend die freie Existenz aus trüber Er­fahrung seiner eigenen Anfänge nicht als Ideal, sondern als Ursache seines eigenen Problems gesehen zu haben. Das Modell seiner freischwebenden Berufsanfänge möchte er von seinen Kindern nicht wiederholt sehen. Er selbst allerdings wird nur zwei Jahre später die eigene Journalistenexis­tenz einer Revision unterziehen, den Tagesjournalismus an den Nagel hän­gen und das freie Schriftsteller-Dasein wählen und wiederum sechs Jahre später, nach dem unglücklichen Intermezzo als Erster Ständiger Sekretär der Bildenden Künste an der Königlichen Akademie der Künste, seine»In­dependenz« 20 preisen:»Die Glücksarten der Menschen sind eben verschie­den; ›den enen sin Uhl is den annern sin Nachtigall! Mir ist die Freiheit Nachtigall, den andern Leuten das Gehalt.« Und:»es kommt nur darauf an, daß jeder an seiner Stelle steht. Wo, ist gleichgültig.« 21 Wie wahr, denkt man und bedauert, dass des Vaters Einsichten von 1876 für George viele Jahre zu spät kamen. Im Frühjahr 1868 meldet Vater Fontane den Sohn also bei einem pri­vaten»Militär-Bildungs-Institut« an, einem Repetitorium für Fähnrichs­Anwärter, die ihre obligatorische Aufnahme-Prüfung noch vor sich ha­ben. Er gefalle sich da»sehr gut«, schreibt George seiner Tante nach den allerersten Tagen beim Repetitor Reetzke. 22 Aber das gute Gefühl hält nicht an:»[] ich gebe mir alle Mühe die Sache leicht zu nehmen, fühle aber daß es mit dem Geschmack doch noch nicht viel besser geht«, bekennt er dem Vater nach viermonatigem angestrengten Lernen. 23 Ein Signal! Weni­ge Tage darauf berichtet Mutter Emilie ihrem Mann über die»sehr günstig[e]« Reaktion Karl Zöllners auf Georges Klaviervorspiel. 24 Der aber geht in seinem Gegenbrief nicht darauf ein. George besteht die Aufnahme-Prüfung, und das Schicksal nimmt sei­nen Lauf. Er tritt in das 3. Hessische Infanterie-Regiment in Kassel ein. »Trotz kleiner Leiden, er hat Glück, unberufen und unbeschrien«, beruhigt sich der Vater nach Erhalt der ersten beiden Briefe aus Kassel. 25 Doch schon nach acht Tagen scheint er nicht frei von Besorgnis zu sein:»Georges Er­gehn, gleichviel ob er schreibt oder nicht schreibt, beschäftigt mich doch sehr.« 26 In seinem Tagebuch von 1868 wird er später festhalten, George habe in seinem Regiment in Kassel»zunächst angestrengte aber glückliche