148 Fontane Blätter 103 Vermischtes der Auskünfte abhängig machen werde. Zugleich formuliert er aber auch, dass er seinen Sohn nicht»mit einer Art Eigensinn innerhalb einer Sphäre festhalten« wolle,»in die er nicht gehört« 42 – Formulierungen, die so klingen, als sei er sich sehr wohl der Dimension seines Beharrens bewusst. Dominierend aber bleibt offenbar sein Bestreben, dem Sohn eine gesicherte Existenzgrundlage zu ermöglichen. Mit seinen Worten:»Ich möchte das[?] alles doch nur thun, wenn ich einen Segen davon erwarten[…] dürfte.« 43 An keiner Stelle ist hier oder im erhaltenen Elternbriefwechsel die Rede davon, wie der Sohn darüber denkt. Ein Aufbegehren gegen die väterliche Entscheidung scheint es nicht gegeben zu haben. Im Generationenverständnis gelten noch die tradierten Autoritätsnormen der Vätergenerationen. Das Thema des Vater-Sohn-Konflikts beginnt erst im Zuge der gesellschaftlichen Veränderungen in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts die Vaterautorität in Frage zu stellen, literarisch geformt beispielsweise von Turgenjew in Väter und Söhne(1862) oder auch von Theodor Storm in seinen beiden Novellen Carsten Curator(1878) und Hans und Heinz Kirch (1882). Nach zäh sich hinziehendem Bemühen gelingt es schließlich, Franz von Zychlinski, Kommandeur des 2. Brandenburgischen Infanterie-Regiments in Magdeburg, Fontane aus früherem literarischen Austausch bekannt, zu bewegen, George in sein Regiment aufzunehmen. Zychlinski gegenüber entschuldigt der Vater den Misserfolg seines Sohnes beim Kasseler Regiment einsichtig mit dessen Individualität. In einem der Briefentwurf-Fragmente spricht er von seiner»festen Überzeugung[…], daß vielleicht kaum die Hälfte der Verschuldung auf meinen Jungen fällt. Er war zu jung, unselbständig, scheu, verlegen, mied die Offiziere mehr als daß er sie …« 44 – man wird hier wohl ergänzen dürfen: für sich einzunehmen verstand. Wollte der Vater nicht wahrhaben, dass diese Einschätzung nur ein dreiviertel Jahr später noch genauso zutreffend sein könnte? Ende August 1869 tritt George also in Zychlinskis Magdeburger Infanterie-Regiment ein. Sechs Wochen später erhält Ludovica einen ersten Brief von dort: »Nur die allerneuesten und besten Nachrichten schreibe ich Dir heute. Am vergangenen Mittwoch bin ich zum Unteroffizier befördert worden. Du kannst Dir denken, daß ich jetzt mich hier riesig zusammennehme, alle guten Eigenschaften zusammenkratze und sie den Leuten an den Kopf schmeiße. Kurz und gut ich fühle mich hier sehr glücklich; die Offiziere sind fast ohne Ausnahme(und diese Ausnahmen verstehen es nicht ihre Freundlichkeit so an den Tag zu legen) sehr freundlich zu mir; für meinen Hauptmann ginge ich durch 3 Feuer; diesen Mann kann ich Dir garnicht beschreiben, so vollkommen erscheint er mir. Eine Liebe, vielleicht zu einem weiblichen Wesen, könnte, solange er in meinem Herzen wohnt, dasselbe nicht berühren.« 45
Heft
(2017) 103
Seite
148
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