Heft 
(2017) 103
Seite
152
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152 Fontane Blätter 103 Vermischtes ­sondern mietet ein»Logement nicht im feinsten Viertel«, wie er betont. 66 Und er mietet ein Klavier. Man darf vermuten, dass neben solchen Ausga­ben und den oft zitierten aufgelaufenen Equipierungskosten auch Spiel­schulden eine Rolle gespielt haben könnten, die seine Finanzen immer wie­der ins Minus gebracht haben. Von Glücksspielen ist in seinen Briefen als ›Beschäftigung‹ in diesem»Pfuhl der Langeweile« 67 wiederholt die Rede. Er»lebe 10mal lieber in der kleinsten französischen Stadt« als in Magde­burg. Zurückgesehnt habe er sich»nicht eine Secunde«, hatte er Ludovica noch aus Argenteuil gestanden. 68 Und doch muss er sich jetzt zurück in der Magdeburger Kasernenwelt wieder disziplinieren und im Wacheschieben und Rekrutenexerzieren seinen Offiziersberuf erfüllen. Bemerkungen resi­gnativer Mutlosigkeit lassen erkennen, wie sehr er sich am falschen Platz fühlt. Gleichwohl ist er ist bestrebt,»ein tüchtiger Offizier zu werden«. 69 Die Bedingungslosigkeit aber, mit der er sich dem militärischen Leben zu un­terwerfen hat, bedroht die Fassade seiner militärischen Existenz. Sein Überleben darin verlangt nach Camouflage und Verstellung. Er baut sich eine nur ihm gehörende, neigungserfüllte Zweitexistenz auf, über die er mit seinen Kameraden nicht spricht. Ludovica aber berichtet er umso freimüti­ger davon. Theater und Musik, speziell das Klavierspiel, beherrschen diese Fluchtburg. Eine Zeitlang spielt er nur Schumann und allenfalls Bach. Diese sind ihm»eine so schwere Speise, so inhaltsvoll«, dass ihm»alles andre dagegen mehr oder weniger leicht und flach erscheint.« Bei Beethoven be­klagt er seinen»Mangel an Technik«, der, so schreibt er,»leider bei mir vor­handen ist u. der sich nie wird ersetzen lassen,- denn, was Hänschen nicht lernt, lernt Hans wenigstens schwer.« Schumann sei»ja viel viel schwerer zu spielen, aber so paradox es klingen« möge, er werde»doch eher mit ihm fertig«. 70 Und George wiederentdeckt die Literatur. Die Auswahl seiner Lektüren lassen die Literatursozialisation durch sein Elternhaus erkennen. Er inter­essiert sich auch für das literarische Schaffen seines Vaters und widerlegt dessen larmoyante Klage gegenüber Mathilde von Rohr, dass keines seiner Kinder zu einer»echten und tiefen Anerkennung« seiner»Bestrebungen« komme,»weil ihnen die relative Resultatlosigkeit dieser Bestrebungen un­bequem« sei. 71 George dagegen schätzt gerade Vor dem Sturm(1878) höher ein als Friedrich Spielhagens seinerzeit vielgelesenen Zeitroman Sturmflut (1877):» Vor dem Sturm gefällt mir besser, wenn es auch langweiliger ist, was ich speziell nicht finde; in meines Papas Roman ist nach meinem Ge­schmack kein Wort zu viel u. welches ich gern missen wollte, während ich Spielhagen summa summarum gern 200 Seiten schenkte, die geradezu langweilig sind. Einiges ist allerdings geradezu meisterhaft.« 72 Georges Ausflüge in Nebenwelten scheinen ihm die nötige Kraft gege­ben zu haben für das von ihm eigentlich Verlangte. Fontane hat dafür in Die Poggenpuhls eine sinnreiche Metapher gefunden, die er Leutnant Leo von