Heft 
(2017) 103
Seite
155
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Theodor und George Fontane Streiter-Buscher 155 5 Jahren, als George sich als angehender Militärlehrer bereits bewährt hat, wird er die erfahrungsgetränkte Selbsterkenntnis niederschreiben:»Am allerwenigsten muß man an den Charakteren herumbasteln wollen; es führt zu gar nichts, außer zu Verstimmung und Aergerniß. Wie sich ein Mensch giebt, das ist nicht ein Zufall, auch meistens nicht ein Erziehungs­fehler, sondern der Ausdruck seiner Natur.« 83 Man denkt: Auch falsche Ent­scheidungsmotive können solcher ›Bastelei‹ gleichkommen. Und noch etwas muss hier erwähnt werden: Fontanes Glaube an Preu­ßens Gloria ist inzwischen gründlich erschüttert worden. Das Phänomen der gewachsenen Stellung des kaiserzeitlichen Militärs und die massive Förderung nationaler Kampforientierung mussten von ihm als Anhänger altpreußischen Soldatentums als schwer erträglich empfunden werden. An seinen Journalistenkollegen Hermann Kletke schreibt er 1880:»Zwei mei­ner Söhne sind zur Zeit Soldat, aber ich bekenne offen, daß mich die allein­seligmachende Militairhose nach gerade zur Verzweiflung bringt. Sparta­nerthum! Bah, Maschinenthum ist es. Und jeden Tag wird es toller.« 84 Zurück zu George: Sekondeleutnants konnten sich nach entsprechender Qualifikation als Militärlehrer an den Kadettenausbildungsstätten bewer­ben. Königstreue und Patriotismus, Ehre und Pflichterfüllung, Gehorsam und Opferbereitschaft, Kameradschaft und Korpsgeist sind hier die Erzie­hungsprinzipien, strenge Regeln und Zucht die Methoden zu deren Durch­setzung. In autobiographischen und autobiographisch unterlegten fiktio­nalen Texten über eine solche Vergitterte Jugend 85 sind Kränkungen, Quälereien, Erpressungen, Perversitäten, Misshandlungen, sexuelle Über­griffe der Kadetten untereinander, wie sie unter kasernierter Jugend ent­stehen können, die spezifischen Themen, nachlesbar z.B. in Robert Musils kleinem Roman Die Verwirrungen des Zöglings Törleß. Die Anforderungen an die Unterricht gebenden Offiziere»hinsichtlich sachlicher und pädagogischer Qualifikation« waren im Gegensatz zu denen der Zivillehrer gering. Der Schriftsteller Ernst von Salomon, einst selbst Kadett, berichtet: »Gerade das, was den Zivilpaukern in hohem Grade mangelte, machte den Reiz der Offiziere aus: Sie verstanden es, zu selbständiger Leistung an­zuspornen, sie lernten sozusagen mit, besaßen nicht die Autorität des Mehrwissenden, sondern die des Schnellerbegreifenden, und es gab also vor ihrem befreienden Gelächter keine Möglichkeit, eine doktrinäre Würde zu verletzen. Ihre Stunden waren auch die einzigen, in denen uneinge­schränkte und lebendige Disziplin herrschte.« 86 Für den Offizier und Kriegsteilnehmer George Fontane war das ein Nebenweg. Aber er sah darin seine einzige Chance,»einen gewissen Nut­zen« zu haben und»Gutes leisten« zu können. Jetzt zum ersten Mal, zehn Jahre nach seinem Eintritt in die Armee, erfüllt ihn sein Beruf mit»Lust und Liebe«. 87 »Mein Unterricht macht mir große Freude« 88 und»Meine