Heft 
(2017) 104
Seite
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Ein»Extrablatt« für den jungen Kritiker-Kollegen  Trilcke; Möller 9 Nachschrift zu einem Brief, den Fontane seinem jungen Theaterkritiker­Kollegen Otto Brahm geschickt hatte und die im Theodor-Fontane-Archiv unter der Signatur Ca 1023 aufbewahrt wird. An dieser von den bisherigen Editoren wie auch von den Bearbeitern des Hanser-Briefverzeichnisses übersehenen Abschrift stimmte etwas nicht, war unsicher, warf Fragen auf. Fontanes Brief vom 14. Oktober 1883 war zuverlässig ediert, 2 ein Blick auf das Original ließ daran keine Zweifel. Aber Ca 1023, eindeutig als Nachschrift zu diesem Brief ausgewiesen, überlieferte einen bisher unbe­kannten Text. Nichts davon fand sich wieder in den Editionen des Briefes, zu dem diese Nachschrift gehören sollte. Und worum ging es eigentlich in dieser Nachschrift, die einigermaßen mysteriös auf einen»Brahm-Fall« anspielte, der sogar als»berühmt« apostrophiert wurde? Dass wir heute davon ausgehen, dass die bisherige Datierung der Ab­schrift falsch war, und dass wir zugleich deutlich mehr wissen über das, was in dieser Nachschrift verhandelt wird, das verdanken wir ebenso sehr den Spuren, die die Überlieferung in Form von Notizen und Kommentaren auf der Abschrift hinterlassen hat, wie der Möglichkeit, diese Abschrift ›zusammenschauen‹ zu können: zusammen mit den anderen überlieferten Briefen an Otto Brahm(zu denen das»Extrablatt« als Nachschrift in Frage kam), mit deren Abschriften und glücklicherweise auch mit den Origina­len, die als Dauerleihgabe der Humboldt-Universität zu Berlin seit Jahr­zehnten im Theodor-Fontane-Archiv verwahrt werden; zusammen ferner mit Unterlagen aus dem Archiv des Verlages F. Fontane& Co, die sich im Theodor-Fontane-Archiv befinden; zusammen des Weiteren mit den Editi­onen der Briefe Theodor Fontanes und mit Zeugnissen zur Theater- und Literaturkritik am Ende des 19. Jahrhunderts, die wir in unserer Bibliothek bewahren; zusammen schließlich auch mit jenen historischen Zeitungsar­tikeln, in denen der»Brahm-Fall« dokumentiert ist Artikel, die im Zuge der Spurensuche erst recherchiert und gefunden, also zusammengetragen werden mussten, die nun aber eingegangen sind in die weiterhin wachsen­den Bestände, in diesem Fall in die Zeitungsausschnittsammlung(›ZA­Sammlung‹) des Theodor-Fontane-Archivs. Dort liegen nun auch diese Zeitungsartikel, bereit nicht zuletzt für wei­tere Zusammenschauen. Dass daran noch erheblicher Bedarf besteht, zei­gen schon die hier präsentierten Materialien, 3 auf deren Spur uns Fonta­nes»Extrablatt« brachte: Wie wenig wissen wir doch über die konkreten Kontexte des theaterkritischen Handwerks am Ende des 19. Jahrhunderts, über das Netzwerk der Kritiker, Redakteure, Theatermacher, über deren private wie über deren öffentliche Kommunikation und über die darin sich ereignenden Verhandlungen, Konflikte und Kämpfe um Deutungsmacht im Feld des Ästhetischen.