46 Fontane Blätter 104 Literaturgeschichtliches, Interpretationen, Kontexte Die Tonalität gesetzter Zeichen. Die Funktion der typographischen Klammer in Theodor Fontanes Roman Der Stechlin Sarah Nienhaus Bei vergleichender Lektüre der erzählerischen Werke von Theodor Fontane 1 präsentiert sich die häufige Setzung der typographischen Klammer im »Erzähltext« 2 als eine stilistische Auffälligkeit der angewandten Darstellungstechnik. In Passagen des Figurendialogs und auch des Erzählerkommentars bewirkt sie fortwährend eine Unterbrechung des Leseflusses. In der Klammer wird mitunter eine zweite Stimme laut, die bereits Gesagtes präzisiert, relativiert, konterkariert oder auch ironisiert. 3 Diese Funktionen, die der Klammer dabei zukommen, lassen mitunter auch eine Darbietung differenzierter Tonalität erkennen. Die Klammer dient demnach nicht allein dem Einschub einer weiteren Stimme, sondern präsentiert auf den jeweiligen Sprechakt einer Figur bezogen auch eine tonale Bandbreite der Ausdrucksweisen. Walter Müller-Seidel spricht in seiner Textanalyse vom Stechlin 4 von der Charakteristik des»Fontaneton[s]«. 5 Vergleicht man Fontanes erzählerische Werke, wird deutlich, dass die Texte nicht von einem singulären ›Fontaneton‹ bestimmt sind. Der Erzähltext zeichnet sich gerade durch eine Vielfalt der Töne und Zwischentöne aus. In diesem Zusammenhang stellt sich für die Textanalyse die Frage, ob die typographische Klammer im Stechlin als ein Verfahren der Erzähltechnik verstanden werden kann, mit dem ein Einschub der» Erzählerrede« in die»Reden der Figuren« markiert wird. In einem solchen Fall würden die Merkmale entweder auf den»Figurentext« oder auf den»Erzählertext« referieren, gegeben wäre so ein Hinweis auf»Textinterferenz« in der direkten Figurenrede. 6 Mit dem Begriff der Textinterferenz beschreibt Wolf Schmid in seiner Narratologie ein Phänomen der Zweistimmigkeit, das eintritt, sobald sich Erzählertext und Figurentext überlagern. Laut Schmid bietet der Grundtyp der direkten Rede keine Anhaltspunkte für Textinterferenz, da entweder eine neutralisierte Opposition vorliegt oder alle Merkmale dem Figurentext zuzuordnen sind. 7 Textinterferenz erweist sich somit primär als ein Phänomen der Erzählerrede. 8 Die folgende Untersuchung wird am Beispiel der typographischen Klammer zeigen, dass dieses Verhältnis auch
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(2017) 104
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46
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