Heft 
(2017) 104
Seite
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Die Tonalität gesetzter Zeichen  Nienhaus 47 ­reziprok funktioniert. Bereits Hans Blumenberg bemerkt für Fontanes erzäh­lerisches Werk, dass auch die direkte Rede Einschübe des Erzählers besitzt, die Klammer und ihre Funktion finden jedoch noch keine ­Erwähnung. 9 Die Polyphonie als stilistisches Merkmal des Romans ist der Ansatz­punkt für die Überlegung, ob sich das Verstehens- und Interpretationspo­tenzial des Romans in der stillen Lektüre bereits erschöpft. Dies führt zur These, dass die ausgearbeitete und differenzierte Tonalität und damit das Phänomen der Textinterferenz des Romans der lauten Lektüre bedürfen, um nicht überlesen bzw. überhört zu werden. Die Klammer, so die These, erweist sich in diesem Kontext mitunter als ein Ort der Textinterferenz. Zunächst liegt die Vermutung nahe, dass es sich bei der Klammer um eine markierte Erzähltechnik handelt, die der Erzähler- und auch der Figuren­charakterisierung dient. Der Erzähltext erhält mit der Klammer eine poly­phone Klangfarbe. Diese Vielstimmigkeit und Ausarbeitung einer dif­ferenzierten Tonalität werden mittels einer solchen markierten Erzähl­­technik auch für die stille Lektüre wahrnehmbar: Der Textraum ist zu­gleich ­Klangraum. In diesem Zusammenhang ist es bedeutend, dass das»diegetische[]« 10 Gespräch mit seinen Erzählakten als handlungsmotivierender und hand­lungstragender Faktor eine zentrale Funktion für die Romankonzeption des Stechlin besitzt. Die zahlreichen diegetischen Erzählakte verhandeln Handlungsverläufe auf einer sekundären Ebene, bereiten diese vor und thematisieren wie reflektieren sie zugleich. Aufgrund der handlungsgene­rierenden Funktion des diegetischen Gesprächs beruht die Textanalyse auf der Annahme, dass das Gespräch nicht allein Handlungscharakter besitzt, sondern vielmehr selbst als konstitutive Handlungsform für die» Diege­sis« 11 zu verstehen ist. 12 Im Stechlin tritt damit das kulturstiftende Potenzial wie der sozial-politische Stellenwert»nichtdiegetische[r]« 13 und diegeti­scher Erzählungen in den Vordergrund. Zugleich steht mit der Fokussierung des gesellschaftlichen Gesprächs die kontinuierliche Reflexion des eigenen und fremden Sprachgebrauchs und-wandels als ein Zeitphänomen im Zentrum des Romans. Die vielfache Beleuchtung der zeitgeschichtlichen sprachlichen Umgangsformen begünstigt mitunter die Genese einer Poly­perspektivität bezüglich der politischen und sozialen Entwicklungen des ausgehenden 19. Jahrhunderts. Mit der Konzentration auf die Darstellung diegetischer Gespräche in­nerhalb des Stechlin muss der Frage nach dem Erzählertyp nachgegangen werden, um die Funktion der Klammer im Erzähltext genauer bestimmen zu können. Isabel Nottinger vermerkt, dass die Schwerpunktverlagerung auf den Dialog der erzählten Figuren im Stechlin»das Verschwinden des auktorialen Erzählers zugunsten der Figurenperspektive« bewirkt. 14 ­Nottingers These führt zur Frage, ob ein Erzähler/ eine Erzählerin aus