Heft 
(2017) 104
Seite
48
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48 Fontane Blätter 104 Literaturgeschichtliches, Interpretationen, Kontexte narratologischer Perspektive tatsächlich verschwinden kann, folglich eine Erzählung ohne ErzählerIn denkbar ist und wie Figurenrede und-pers­pektive ohne ErzählerIn darstellbar sind. Die für die vorliegende Untersu­chung der grundlegenden Methoden von Schmid lassen die Vorstellung einer/eines verschwindenden Erzählerin/Erzählers problematisch erschei­nen. Mit der konstitutiven Zugehörigkeit zur Exegesis sei der Erzähler ver­antwortlich für die Darstellung der erzählten Welt. Deshalb ist laut Schmid eine Erzählung ohne ErzählerIn nicht vorstellbar. 15 Auch Gérard Genette spricht sich gegen die Vorstellung einer erzählerlosen Erzählung aus, wenn er diese als»Hirngespinst[]« ablehnt. 16 Die obligate Präsenz einer Erzählerin/ eines Erzählers für das Analysemodell Schmids tritt deutlich in seinen Konzepten zur Erzählperspektive und Textinterferenz hervor, da die figurale Perspektive stets narratoriale Spuren aufweise. 17 Die Textana­lyse wird zeigen, dass in Passagen, in denen Figurendialoge dominieren, die Stimme des Erzählers mittels der Klammer laut wird. In diesen Paren­thesen entfaltet der Erzähltext sein polyphones Potenzial, wenn sich Er­zählertext und Figurentext wiederholt überlagern. Nobert Mecklenburgs Untersuchung widmet sich bereits den Aspekten der Vielstimmigkeit und Dialogizität in Fontanes erzählerischen Werken, wenn er eine»Poetik der Gänsefüßchen« beschreibt. 18 Die unsystematische Verwendung der Anführungszeichen stehe für eine Erzähltechnik der Po­lyphonie und präsentiere eine Erzähltechnik, die der Relativierung von Er­zähler- und Figurenstimme dient. 19 Seine Thesen belegt er dabei jeweils ausschließlich an dem Editionstext. Das methodische Vorgehen Mecklen­burgs lässt ein zentrales Problem für die Analyse poetischer Zeichenset­zung 20 in edierten Erzähltexten aufscheinen und zwar die Präsenz editori­scher Eingriffe in den handschriftlich überlieferten Text. Eine Unter­suchung des poetischen Mehrwerts einer Interpunktion erfordert zunächst eine Auseinandersetzung mit den Leitlinien der jeweils verwendeten Edition und im Idealfall einen Abgleich mit den zur Verfügung stehenden Hand­schriften. 21 Ansonsten stehen Interpretationen zur poetischen Zeichenset­zung auf unsicherem Fundament, da sie mit der Edition als einzig gewähl­tem Textzeugen ebenfalls ein Beleg für stilistische Texteingriffe oder Normalisierungen der Editorin/ des Editors sein können. Deshalb ist es für die vorliegende Untersuchung notwendig, sich mit den editorischen Richtlinien der Großen Brandenburger Ausgabe und der kritischen Aus­gabe des Stechlin 22 von Peter Staengle und Roland Reuß zu beschäftigen.