Heft 
(2017) 104
Seite
118
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118 Fontane Blätter 104 Rezensionen und Annotationen Daniela Strigl: »Berühmt sein ist nichts«: Marie von Ebner-Eschenbach. Eine Biographie. Salzburg: Residenz Verlag 2016. 439 Seiten. 26,90 Die hier erzählte Lebensgeschichte der mit Annette von Droste-Hülshoff renommiertesten Schriftstellerin deutscher Sprache des 19. Jahrhunderts wird in den Händen der vielfach preisgekrönten Wiener Germanistin, Lite­raturkritikerin und Publizistin Daniela Strigl zugleich zu einer umsichtigen Geschichte des Habsburger Reichs und seiner historischen Landschaften. 1 Als Mitherausgeberin der vierbändigen Ebner-Eschenbach Leseausgabe (2015), einer pragmatischen Antwort auf die Lücken der bisherigen Editi­onsgeschichte bzw. die Schwerzugänglichkeit mancher Texte von Ebner und als Autorin namhafter Beiträge zur jüngsten Ebner-Forschung 2 ist Strigl für ihre Aufgabe bestens qualifiziert. Sie hat sich gleich zu Beginn zwei Grundfragen der Biographie gestellt, wie von den Briten als Klassi­kern der Gattung seit Boswell gehandhabt, nämlich die strategische: Wie komme ich mit der Spannung zwischen Dokumentation und Interpretation zurecht, und die taktische: Wie ist mein Verhältnis als Erzählerin zum Sub­jekt? Und indem sie die Einsicht großer Biographen zum Erzählprinzip ge­macht hat, dass die Persönlichkeit eines Menschen im Licht tagtäglicher Erfahrungen immer neue Facetten seines Selbst ans Licht bringt, was im Fall der stets weltoffenen und wissbegierigen Ebner besonders geboten ist sorgt die Autorin dafür, dass ihr Buch bis ganz zuletzt spannend bleibt. Marie Freiin, geb. Baronin später Gräfin Dubsky verh. Baronin von ­Ebner-Eschenbach(Zdis(s)lawitz/Mähren 1830–1916 Wien), hat über ­Dezennien und bis zu ihrem Tod sorgfältig am eigenen Zeitbild gearbeitet. Zum Leitfaden ihres Selbstbilds wie auch ihrer Lebensgeschichte wird die kreative aber stets schmerzvolle Spannung zwischen ihrer ›Mission‹ als Künstlerin 3 das junge Mädchen vertraut ihrer Erzieherin an, sie wolle die Shakespeare des 19. Jahrhunderts werden oder nichts und ihrer Verin­nerlichung der meist verständnislosen familiären und journalistischen Kritik an ihrer dichterischen Produktion. Auch als sie längst als »Klassikerin« der deutschen Literatur galt, war sie noch in der Lage, an eine jüngere Kollegin(Enrica Handel-Mazzetti) den ehrlich gemeinten Satz zu schreiben:»Ich bin Dir gegenüber keine Meisterin, Du nicht meine Schülerin. Vielmehr würde ich die Deine, wenn ich nicht so alt wäre«(374). Diese erste deutschsprachige Biographie Marie von Ebner-Eschenbachs seit fast einem Jahrhundert ist in fünf Kapitel eingeteilt(mit Vorwort, Pro­log und Epilog): Das Waldfräulein gilt den Jugendjahren bis Heirat und Revolution(1848); Eine Spätgeborene den leiderfüllten ersten Dezennien ihrer Ehe, dem Misslingen ihres hohen Ehrgeizes als Dramatikerin und ihren psychischen und neurologischen Krankheiten; Berühmtsein(1875– 99) kommt mit der Wendung zur Prosa und dem Durchbruch zum Erfolg.