Heft 
(2017) 104
Seite
119
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Daniela Strigl:»Berühmt sein ist nichts« Sagarra 119 Trotz andauernder ­gesundheitlicher Probleme ist ihre Produktivität beein­druckend; in den letzten Jahren( Altweibersommer 1899–1916) lässt ihre Schaffenslust nicht nach: Die ausgebildete Uhrmacherin ist nach wie vor an technisch Neuem interessiert die einst waghalsige und passionierte Reiterin fährt im Auto, die zigarrenrauchende Dame spricht ein Werk ins Phonogram, ist fasziniert von Flugexperimenten; nachsichtig gegen die (meisten) Kolleginnen wird sie oft ungehalten gegenüber manch Großem der Moderne wie Ibsen und Hauptmann, weniger aus ästhetischen Grün­den als aus aristokratischer ›Dezenz‹. Wie Fontane war Ebner von Jugend auf eine eifrige Korrespondentin und führte mehr als ein halbes Leben lang Tagebuch. Strigl kann sich auf die fast vollständig erhaltenen Tagebücher 4 und die reichen Briefbestände der Wiener Stadtbibliothek und des mährischen Landesarchivs beziehen. 5 Allein zur Erschließung der so wichtigen Jugendjahre waren Ebnerbio­graphinnen bisher allzu abhängig von deren beredten Alterserinnerun­gen, 6 die wie Fontanes Meine Kinderjahre als historische Quelle kritisch zu lesen sind.(Zu den verschollenen frühen Tagebüchern und Ebners Hand­habung ihrer Briefe vgl. Strigls informatives Resümee auf S. 16, mit Zitat aus den Aphorismen:»Briefe von geliebten Menschen verbrennt man gleich oder nie«.) Dank ihrer profunden Quellenkenntnisse und der durch ihre Innsbrucker Kollegin Ulrike Tanzer und ihre Mitarbeiterschaft jüngst erschienenen Korrespondenz mit der Lyrikerin Josephine von Knorr leistet Strigl einen bedeutenden Beitrag zu unserem heutigen Verständnis der jungen Dichterin. 7 Beim Fehlen der meisten Ehebriefe erlaubt dieser frühe Briefwechsel nun ein viel differenzierteres Bild von Ebners früher Schaf­fenszeit. Jedes Werk wurde von der Entstehung bis zur(Nicht)Erscheinung von den Freundinnen gegenseitig kommentiert und kritisiert. So lässt sich Ebners Bezeichnung des 1858 anonym erschienenen Aus Franzensbad. Sechs Epistel von keinem Propheten als Erstlingswerk, das sie später witzig wie eine Mutter ihr vor der Ehe geborenes Kind desavouiert(116), durch den Briefwechsel korrigieren: Schon 1854 erschien der Aufsatz: Carl I von England(im Anhang zum Ebner-Knorr Briefwechsel abgedruckt). Vor al­lem gewähren diese fast 800 intimen Briefe einen Einblick in Ebners Ehe, ein in anderen Kommentaren oft mit Klischees belastetes Lebenskapitel, das aber Strigl mit diskreter und souveräner Einfühlungskraft und kriti­scher Distanz bemeistert. Die geliebte»Sephine« wird auch zur Vertrauten des bisher kaum wahrgenommenen Ereignisses ihres 30. Lebensjahres, wie wir hier erfahren, der ›Versuchung‹ durch einen Ungenannten, die mehr als einen Winter lang»meine ganze Zukunft, alle meine Verhältnisse bedrohten« und ihr»Schlag Schmerz Stürme Wunde Chaos« bereiteten, ein»starkes Stück, neigt sie doch, selbst in ihren Tagebüchern, eher zu Understatement und effektiver Selbstzensur«(129).