Heft 
(2017) 104
Seite
177
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Theodor Fontane in San Diego 2016  Anderson 177 Fazit Freilich kann von einer repräsentativen Erhebung der US-amerikanischen Fontane-Germanistik nicht die Rede sein. Nur zwei dieser zehn Autoren sind älter als fünfunddreißig, und nur zwei dieser zehn papers stammen von Autorinnen was für die Teilnehmerinnen der Jahresversammlung insgesamt keineswegs repräsentativ war. Als Schwerpunkt und Ansatz der hier präsentierten Beiträge spielt die Textphilologie eine, wenn überhaupt, untergeordnete Rolle. Der Grund da­für ist ein pragmatischer: neben dem Sprachunterricht besteht die Haupt­aufgabe amerikanischer Germanisten darin, deutsche Literatur und Kultur­zu vermitteln. Mit zunehmender Entfernung zum Land Brandenburg nimmt das Inte­resse an Fontanes Wanderungen schon in Deutschland ab. In San Diego waren sie in nur einem paper Thema. Umso mehr beeindruckt die Faszina­tion der Autoren für die Darstellung damaliger Wirklichkeit in Fontanes Romanen. Ebenso auffallend ist ein eher umgekehrtes Verhältnis zwischen philologischen und interpretierenden Beiträgen. Acht der zehn Arbeiten sind entweder ganz oder hauptsächlich mit der Interpretation beschäftigt. Sofern die Stoffe bekannt sind, ist die Bereitschaft, sie historisch und welt­politisch zu lesen, stärker als in ähnlichen deutschen Arbeiten, die lieber gesellschaftlichen Fragen nachgehen. Poetologische Aspekte, die hierzu­lande kaum noch eine Rolle spielen, werden mit Akribie analysiert. Prak­tisch-biographische Einflüsse weiten die Perspektive auf das Schreiben an sich aus. Und Fragestellungen, die früher undenkbar waren, werden wie selbstverständlich behandelt, und ohne Scheu wird Fontane mit den Be­griffen des ökopolitischen Diskurses interpretiert.