194 Fontane Blätter 104 Informationen Das in diese drei Fragerichtungen ausdifferenzierte Leitthema des Kongresses soll zu medienphilologischen,-geschichtlichen und-theoretischen Untersuchungen anregen, in denen die Historizität und Aktualität des ebenso breiten wie heterogenen Schaffens von Theodor Fontane neu adressiert werden. In Form von Längsschnitten und von Fontane als Fokus ausgehenden Reflexionen über die Medialitäten der literarischen und journalistischen, der populären,(hoch)kulturellen und wissenschaftlichen Kommunikation soll der Kongress dabei zugleich eine kulturgeschichtliche Standortbestimmung ermöglichen: Welche Kontinuitäten und welche Brüche bestehen zwischen dem anbrechenden Zeitalter der Massenmedien, in dem Fontane lebte, arbeitete und wirkte, und der gegenwärtigen Medienkultur? Welche Transformationen der massenmedialen Öffentlichkeiten und der(teils prekären) Medienkulturarbeit werden sichtbar? Welche Traditionslinien der medialen Ästhetisierung und Theatralisierung von Kultur, der literarischen, der journalistischen und der dazwischen liegenden hybriden Autorschaft oder der populären Publizistik lassen sich ausmachen? Wie ähneln und wie unterscheiden sich Fontanes Medienpraktiken des Exzerpierens, Notierens, Kompilierens, Redigierens, Korrespondierens von Praktiken einerseits im 18. Jahrhundert und andererseits im digitalen Zeitalter? Das wissenschaftliche Programm des Kongresses wird entlang der skizzierten Fragerichtungen drei thematische Schwerpunkte setzen: I) Fontane und die Medienkultur des 19. Jahrhunderts II) Mediengeschichte der Fontane-Rezeption III) Kulturelles Gedächtnis im digitalen Zeitalter I) Fontane und die Medienkultur des 19. Jahrhunderts Aus einer(literatur- und medien-)historischen Perspektive soll Fontanes literarische, journalistische, essayistische,(auto-)biographische, epistolarische etc. Produktion im Kontext der medialen und epistemischen Beschleunigung, Vervielfältigung und Differenzierung in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts in den Blick genommen werden. Auf welche Weise formatiert, stimuliert, restringiert dieser Kontext die Prozesse und Praktiken der Produktion? In welchem Verhältnis stehen die Zeitschriften- und Zeitungsabdrucke von Fontanes Romanen zu den sich im 19. Jahrhundert ausdifferenzierenden Konzepten der Serialität? Wo ist Fontane im Umfeld von serialisierter Produktion und serieller Publikation einzuordnen? Welche produktiven Effekte zeitigen die unterschiedlichen Handlungsrollen, die Fontane während seiner beruflichen Laufbahn – mit zum Teil großen Überschneidungen – einnahm? Wie sortiert ein Apotheker seine Aufzeichnungen, wie organisiert er seinen storage? Wie berichtet ein Balladendichter vom Kriegsschauplatz? Wie ein Feuilletonist von sich selbst? Und wie redigiert ein Zeitungsredakteur seine eigenen Romane, etwa in Hinblick auf Fragen der Rezeptionssteuerung? Zu fragen ist zugleich auch danach, wie sich der mediale Kontext in Fontanes Produkten – den Romanen, Gedichten, Artikeln, Briefen etc. – reflektiert und bricht? Welche Funktionen übernehmen etwa Bilder, Bücher, Briefe, Gespräche usw. in den literarischen Texten? Wie ist die etwa von Bachtin beschriebene Vielstimmigkeit des Romans, zumal des Fontane’schen Gesprächsromans, aus medientheoretischer und-historischer Perspektive zu fassen? Wie stimulieren Medien die poetische Struktur der Romane, wie simulieren umgekehrt die Romane mediale Strukturen? Was zeigt sich eigentlich, wenn man Fontanes Poetik des Gesprächs vom Medium der Stimme aus begreift? Schließlich ist zu untersuchen, welche Folgen es für die Mechanismen der Bedeutungskonstitution hat, dass der
Heft
(2017) 104
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194
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