Kongress»Fontanes Medien« 195 Großteil von Fontanes Texten im Umfeld einer massenmedialen Text- und Bilderfülle erschien, eingebettet in heterogene, multimodale Seh- und Sinnflächen und rhythmisiert durch Logiken der Periodizität. Entwickeln sich in dieser kompetitiven Medienumwelt Strategien der literarischen, publizistischen, epistolarischen Selbstbehauptung oder löst sich Autorschaft in Medienarbeit und Schreibtechnik auf? Lässt sich etwa die Programmatik des ›Poetischen Realismus‹ als eine solche Selbstbehauptungsstrategie interpretieren? Was genau wäre das medienpoetische Programm dieses Realismus? Und inwiefern handelt es sich dabei um einen spezifisch ›deutschen‹ Realismus? Dieser thematische Schwerpunkt I) lässt sich in vier Bereiche untergliedern: a) Medien in Fontanes Werken, Schriften, Briefen b) Mediale Erscheinungsweisen von Fontanes Werken, Schriften, Briefen c) Fontanes Medienpraktiken d) Medialität als Konzept und Denkfigur in der Poetik des realistischen Zeitalters II) Mediengeschichte der Fontane-Rezeption Aus einer rezeptionsgeschichtlichen Perspektive soll in dieser Sektion der Frage nachgegangen werden, welche Rolle Medien und Medienformate bei der kulturellen Repräsentation wie bei der wissenschaftlichen Erforschung Fontanes gespielt haben – und bis heute spielen. Beginnend bei der Rezeption zu Lebzeiten und sich fortsetzend in der postumen Rezeption sind hier Entwicklungslinien und Fallbeispiele zu analysieren, anhand derer sich charakteristische Geschichten der medialen ›Figuration‹ und des medialen ›Nachlebens‹ Fontanes erzählen lassen. Welche Trends und Traditionen der(kreativen) Fontane-Adaption und -Dokumentation lassen sich beschreiben? Über welche Images und welche Szenen werden Fontane, seine Literatur oder auch sein ›Ton‹ medial codiert und inszeniert? Welche mediengeschichtlichen Entwicklungen haben die Konjunkturen der Fontane-Rezeption beeinflusst: Welche Bedeutung etwa kommt der Fotografie(dem Gemälde, dem Stich, der Plastik, der Karikatur) bei der Tradierung der(unterschiedlichen) Images vom ›alten Fontane‹ zu? Und wie haben die Literaturverfilmungen, z.B. die west- und ostdeutschen Spielfilme der 1960er und 1970er Jahre, zum Image des Gesellschaftsromanciers beigetragen? Wie lässt sich auf der einen Seite die Konjunktur von Bühnen-Adaptionen von FontaneRomanen zu Beginn des 21. Jahrhunderts erklären? Und welche Konsequenzen hat es auf der anderen Seite, dass die Rezeptionsgeschichte Fontanes allen Adaptionen für Fernsehen, Hörspiel und Bühne zum Trotz wesentlich eine Geschichte des Mediums ›Buch‹ ist – obwohl Fontane zu Lebzeiten mindestens in gleichem Maße ein Zeitschriften- und Zeitungsautor war? III) Kulturelles Gedächtnis im digitalen Zeitalter Die umfassende Digitalisierung von Gesellschaft und Kultur transformiert seit einigen Jahren auch das kulturelle Gedächtnis. Schriftliche Kulturgüter, wie Nachlass und Werk Fontanes, werden digitalisiert, sie werden digital ediert und nicht selten gemeinfrei publiziert, sodass sie für die Forschung ebenso frei verfügbar sind wie für den digitalen Remix oder andere Formen der Dissemination in den Weiten des Internets. Allerdings wird keineswegs alles digitalisiert, sodass sich die Frage nach Erinnern und Vergessen mit einer neuen, nun digital bedingten Dringlichkeit stellt. Gleichzeitig problematisieren die neuen Techniken der Bereitstellung(›Repositorien‹) und der Analyse(›Distant Reading‹) von Texten und
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(2017) 104
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195
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