Heft 
(1970) 10
Seite
77
Einzelbild herunterladen

; //

FONTANE

BLÄTTER

Band 2, Heft 2

1970

THEODOR FONTANE

Briefe an seine Frau

Mitgeteilt und kommentiert von Gotthard Erler, Berlin.

Berlin, 6. Mai 1870

Geliebte Frau.

Dein letzter ausführlicher Brief hat mir eine große Freude gemacht, 1 und ich danke Dir herzlich dafür. Das größte Lob, was ich Dir spenden kann, ist wohl das: ich lese das alles wie Pücklers Briefe 2 , ich frische die alten Bilder wieder auf und stimme den Bemerkungen zu. Daß Mete so einschlägt, ist mir eine besondre Freude; sie ist ein apartes Kind, in gewissem Sinne ein Angstkind, und alles wird davon abhängen, in welche Hände sie gerät, sie ist jetzt in den besten. Dein guter Einfall, womit Du die Debatte über Frauen-Stimmrecht coupiertest, hat auch mich amüsiert. Man kann all diesen Dingen gegenüber sagen:warum nicht!", aber doch noch mit größrem Recht:wozu?" Die Frauen, die zur Zeit Ludwigs XIV. die Welt, den König und die Gesellschaft regierten, hatten kein Stimmrecht, haben sich aber leidlich wohl dabei befun­den, jedenfalls besser als jene Unglücklichen, die sichin Erfüllung ihrer Bürgerpflicht" an die Wahlurne drängen. Wegen des Herrn v. P. sprach ich mit Zöllners 2 ; die kleine Chevaliere fragte, ob er bei den Garde-Husaren in Potsdam gestanden habe? sie kannte einen solchen Vorfall, aber was ist häufi­ger als solche Vorfälle, selbst innerhalb einer und derselben Familie!

Ich habe eine ziemlich unruhige Woche hinter mir, und doch ist nicht leicht darüber zu berichten. Nennt man die Dinge bloß, so ist es langweilig, gerät man ins Beschreiben, so ist es endlos. Ich verfahre wieder tagebuchartig:

Sonnabend, d. 30. Nachdem ich meinen Brief zur Post gegeben, ging ich in den Rütli bei Bormann' 1 . Blombergs 5 GedichtJarl Iron" wurde gelesen, das kleine Epos, über das ich Dir neulich schon schrieb. Es befriedigte wenig. Man

77

Germanistik / OflJllÄ fbdtbereich GermanWik

Bibliothek 4 T (o