Heft 
(1971) 13
Seite
360
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Buchbesprechungen

Professor Dr. Pierre-Paul Sagave (Paris)

Theodor Fontane: Wanderungen durch Frankreich. Erlebtes 18701871. Kriegsgefangen. Aus den Tagen der Okkupation. Briefe. (Mit einer Einleitung von Günter Jäckel.) Berlin: Verl. d. Nation (1970). 735 S., 75 Abb., 1 Kt. 8°*

Aus der umfangreichen deutschen Literatur zum siebziger Krieg, die vo" hundert Jahren erschien und von der das meiste heute widerwärtig an­mutet, ist zum Glück manches vergessen. Wer weiß heute noch etwas von der patriotischen Gebrauchslyrik eines Emanuel Geibel oder von den chauvinistischen Hetzartikeln eines Heinrich von Treitschke?

Als einziger deutscher Schriftsteller von Rang hat Fontane es unternom­men, in seinen autobiographischen Werken ein höchst lebendiges Frank­reichbild zu zeichnen, das beiden Teilen gerecht wird. Die Aufnahme dieser Werke in Deutschland war kühl; man warf dem Verfasser vor, er habe die Franzosen zu sehr herausgestrichen. Aber die französische Über­setzung wurde ein Erfolg. Ein Jahrhundert mußte vergehen, bis Fontanes Bücher zum siebziger Krieg durch die vorliegende Neuausgabe auch in seinem Heimatland in ihrem vollen Werte anerkannnt wurden.

In der sehr gut dokumentierten und sehr nuancierten Einleitung wird Fontanes Laufbahn als Schriftsteller und Journalist in ihrer Problematik nachgezeichnet. Darin erscheint das Jahr 1870 als ein Wendepunkt. Um einem zehn Jahre alten, immer drückender werdenden Arbeitsverhältnis zu entgehen, wechselt Fontane von der konservativen ..Kreuzzeitung zur liberalenVossischen Zeitung über. In dieser Zeit fallen auch seine Kriegsbücher, die zwischen 1864 und 1876 redigiert wurden. Günter Jäckel sagt in seiner Einleitung von dieser Schaffensphase, sie sei ganz der Glorifizierung des Preußischen gewidmet gewesen. Man könnte diese Definition ein wenig abschwächen, denn bereits im Buch über den Krieg gegen Frankreich zeigt sich eine immer stärker hervortretende Tendenz zur Objektivität in der Darstellung militärischer Ereignisse.

Noch mehr zeigt sich diese Tendenz, die sogar über die Objektivität hinaus bis zur Sympathie gehen kann, in den eigentlichen Erlebnisbü­chern. ÜberKriegsgefangen urteilt Fontane selbst:Die Leute erwarten eine haarsträubende Räubergeschichte mit Hungerturm und Ketten­gerassel, und was ich ihnen zu bieten habe, ist zu neun Zehntel ein Idyll.

ZuAus den Tagen der Okkupation bietet die Einleitung eine analytische Untersuchung, der im Ganzen zuzustimmen ist. Einer der Höhepunkte dieses Werkes ist die Darstellung der Pariser Kommune-Kämpfe, die Fontane von Saint-Denis aus hat beobachten können. Jedoch trifft die in

* Nach Mitteilung des Verlages war das Buch innerhalb weniger Wodien vergriffen. Der Verlag der Nation bereitet deshalb eine 2. Auflage vor. Die Redaktion