gerät der Kahn auf eine Sandbank, so darf dieser Zwischenfall nicht zu lange währen; währt er nur kurze Zeit, so kann er den Reiz der Fahrt erhöhn.
3. Dichteraspirationen
Nicht zu glauben; aber es wollen immer noch Tausende Dichter werden und wenn nicht Dichter, so doch Schriftsteller. Schriftsteller ist das zweite, das nicht fehlen kann 3a . Wie’s 1866 bei den Österreichern 11 hieß: „Wir haben gegen die Franzosen unterlegen, deshalb werden 1 » wir die Preußen besiegen“, so heißt es bei den Dichteraspiranten: „Wir haben als Dichter unterlegen, deshalb werden wir als Schriftsteller gute Geschäfte machen“. Mit andren Worten, etwas muß unter allen Umständen dabei herauskommen, entweder ein Dichter, und wenn das nicht sein kann, ein Schriftsteller. In den Mußestunden legen wir dann noch ein Ei, draus, nach unsrem Tode, unsre Berühmtheit herausgebrütet wird.
Was ist schuld an diesem Zustand?
Poetisch Beanlagte sind meist mäßige Schüler, lernen wenig oder ungern, aber so unaufmerksam sie sind, sie hören mit überfeinem Ohr heraus, wie schön es sei, Dichter zu sein. Alles was nach der Seite hin liegt, das prägen sie sich ein, richtiger, sie saugen es ein, ihre Seele lebt davon. Man ist zwischen 10 und 14. Ein eigentlicher 46 Literaturunterricht ist noch nicht da, aber sie hören, König David 5 war Sänger, David Rizzio' 1 war auch Sänger, und Maria Stuart liebte ihn; stand alles auf dem Spiel, so sangen die Barden und erfüllten alles mit Todesmut; Blondel 7 rettete König Richard durch seinen Gesang; unter den tapfersten Burgundern war „Volker der küene videlaer“ 8 . Königinnen erteilten den Sängerpreis; die Wartburg sah den Sängerkrieg 3 , und Luther war auch ein Sänger und Heiliger wie der Psalmist 10 ; Tasso" liebte die Leonoren, Ariost 12 entzückte die Fürsten, Petrarca 13 ... , Dante 14 ging durch Hölle und Himmel. Dann wächst er mehr heran 148 , er schreibt schon selbst, und nun beginnen die Dichterleben und -Schicksale seines eignen Volks zu ihm zu sprechen. Klopstock 15 , die unvollende Messiade im Koffer, wird vom Schiffbruch bedroht, und er betet: „Gott, vergiß nicht ... die Messiade!“. Und Gott erhört ihn. Bürgers 10 Lenore fuhr nicht bloß ums Morgenrot, fuhr um die Welt, und Schlegel 17 schrieb: er riß den Vorhang von einer neuen Welt. Goethe war mit 25 der Freund eines Fürsten, sein Berater, sein Minister; Schiller 18 wurde von Studenten im Triumph davongetragen; dann sterben beide, stehen beide in der Fürstengruft, und ihre Bildnisse sprechen in allen Hauptstädten zu einem andächtig zu ihnen aufblickenden Volke. Uhland 19 sollte 108 den Pour le m6rite empfangen und wies ihn zurück (macht einen doppelt großen Eindruck), und Georg Herwegh 20 , trotzdem er Revolution predigte, trat vor König Friedrich Wilhelm; Geibel, Heyse 21 waren eine Zierde des Münchner Hofes, Julius Wolff 2 -’ wurde Ehrenbürger von Hameln, und Hugo Lubliner 21 wurde in die königliche Loge befohlen.
So stellt s ! ch einem das Dichtertum dar. „Es soll der Dichter mit dem König gehn“ 21 . Und wahrhaftig, er geht mit ihm, seht hier, es ist nicht