Heft 
(1972) 15
Seite
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haus. 27 Der Geistliche und Superintendent des reformierten Bekennt­nisses Johann Lebrecht Bientz hatte Theodor und seine Geschwister in der Ruppiner Zeit getauft, seine Frau war Taufpatin beim 4. Fontane- Kind wenige Monate vor der Abreise nach Swinemünde gewesen, und die freundschaftliche Verbindung der beiden Familien hinüber und herüber war erhalten geblieben. So gab die Familie Bientz dem 12- jährigen Neuruppiner Gymnasiasten für anderthalb Jahre ein zweites Zuhause und auch wohl so manche schulische Hilfe, denn der Herr Superintendent, seit 1817Königlicher Compratonats-Commissario bei dem hiesigen Gymnasio war ein sehr gelehrter und wegen seiner metho­dischen Begabung geschätzter Mann. Wenndie Stelle des mathema­tischen Lehrers in Prima nicht besetzt werden konnte, so übernahm Bientz diesen Unterrichtsgegenstand und ertheilte die betreffenden Lehrstunden zumvollen Beifall der Behörden. 28 Das geräumige Hays der damaligen reformierten Superintendentur (jetzt Virchow- straße 13) wird heute noch als Pfarrhaus, als Küsterei und kirchliches Rentamt genutzt. Es hat sich bis auf die heutige Zeit fast unverändert als typisches Beispiel des frühklassizistischen Hausbaustils erhalten, dem ebenfalls Brasch als Grundrißgestalter und Berson als Fassadenzeichner das unverwechselbare Gepräge gaben.

6. DasPredigerwitwenhaus

Die Mutterwar nicht gern von dieser Stelle (Neuruppin) weggegangen und ist als eine Frau von über Fünfzig, äußerlich getrennt von ihrem Manne, dahin zurüdegekehrt, um dort, wo sie jung und eine kurze Zeit lang auch glücklich gewesen war, zu sterben. Diese Übersiedelung mit demNesthäkchen, der jüngeren Tochter Elise, nach Neuruppin erfolgte im Jahre 1847. Man fand eine Wohnung in dem Obergeschoß des Hauses Nr. 431 (Fischbänkenstraße Nr. 8) am Neuen Markt in dem sogenannten Predigerwitwenhaus.

In diesem Fachwerkhaus mit seinen charakteristischen Mansardgiebeln hatte auch schon die Mutter Karl Friedrich Schinkels mit ihren drei Kindern gewohnt, als sie durch die Brandkatastrophe unmittelbar all ihr Hab und Gut in dem zerstörten Pfarrhause und mittelbar infolge Rauchvergiftung ihren Mann, den geistlichen Inspektor Schinkel, ver­loren hatte. In diesem Hause, von dem aus der junge Schinkel den großzügigen Wiederaufbau der Stadt (der bestimmend für seine Berufs­wahl wurde) miterlebte, sollte nun 60 Jahre später der zweite große Sohn der Stadt, Theodor Fontane, aus- und eingehen. Seine inzwischen gegründete Familie weilte des öfteren in Neuruppin, und umgekehrt fanden Besuche der Mutter und Schwester in der Berliner Fontaneschen Wohnung statt. Zu Weihnachten 1855, als Theodor als Korrespondent in England tätig war und seine Frau mit dem 4jährigen Söhnchen wieder einmal von Berlin aus bei der Schwiegermutter zu Gast weilte, flatterte ein kleines Gedicht nach Neuruppin:

Ich seh im Geist ein rumpliges Haus Und eine rumplige Stube,

Drei Frauen gehen ein und aus,