Heft 
(1974) 20
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FONTANE

BLÄTTER

Band 3, Heft 4 (Heft 20 der Gesamtreihe) 1974

Artikel-Nr. 31 782

Theodor Fontane

Zwei gesellschaftskritische Entwürfe

Herausgegeben und kommentiert von Joachim Krueger

t. Johann der muntre Seifensieder

Wissen Sie denn, gnädige Frau, daß Johann der muntre Seifensieder* eigentlich gar kein Seifensieder war? Er läuft nur so aus Versehen durch unsre ' 3 Literatur 1 *» und war eigentlich ein ganz andrer. Sie sehen midi ungläubig an, aber es ist so, dieser Seifensieder stammt aus dem Fran­zösischen 2 , war im Original ein Sablonnier 3 und müßte ein Zinngießer sein, aber Lichtwer oder Pfelfel haben ein schlechtes Lexikon gehabt oder gar keins, und so haben wir den Seifensieder. Aber es ist ein Glück, daß es so ist, Seifensieder ist viel komischer, es kriegt dadurch was Burleskes, und jedenfalls ist es ein Glück, daß wir diesen Seifen­sieder haben; er ist ein Literaturschatz, ein Lebensschatz, ein Weisheits­schatz, er ist die Zukunft und die Erlösung. Von dem Augenblick an, wo wir statt des jetzigen Menschen lauter Seifensieder, [...] alle von dem Stempel [?] dieses 33muntren 3 *» Johann, haben werden, von dem Augenblick an ist die soziale Frage gelöst, die Sozialdemokratie macht die Bude zu, und das goldne Zeitalter beginnt. Es wird wohl noch eine Weile dauern, aber es muß kommen. Es gibt einen Satz: jeder gesunde Gedanke ringt sich zur Wirklichkeit durch; wenn das wahr ist (und es ist wahr), so muß es kommen. Woran wir laborieren, das ist das, daß dem gesunden Gedanken ein kranker gegenübersteht, der vorläufig noch die Oberhand behauptet, ja, schroffer denn je. Aber in dieser Schroffheit ist schon die Wandlung angezeigt. Allzu scharf macht schartig, und allzu 3 *» gestrenge Herren regieren nicht lange. Die Sache kippt um.

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