Heft 
(1976) 23
Seite
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andere Reisende über die zahlreichen mit Hauben und Spitzen besetzten Kirch- und Tortürme und über die ganz eigenartige Lage der Stadt inmitten von Sumpf und Wasser gewundert haben. Aber Gegenstand oder gar Handlüngsort bedeutender literarischer Gestaltung wurde Brandenburg nicht.

Fontane erwähnt Brandenburg in seinen Werken nur am Rande. Sein besonderes Interesse galt dem Heilpraktiker Wiesike in Plauer Hof bei Brandenburg, dem er schließlich inFünf Schlösser ein ganzes Unterkapitel widmete 1 .

Wenn v. Minutoli' und vor allem F. Adler schon zur Mitte des 19. Jahrhunderts hervorhoben, daß nurwenige Städte in dem Gebiete der baltischen Tiefebene .. . durch hohes Alter, berühmten Namen und Reichthum an mittelalterlichen Bau­werken so ausgezeichnet sind wie Brandenburg 5 , so fanden sie mit dieser Fest­stellung wenig Resonanz. Der besondere Reiz und die Vielfalt an historisch wertvollen Denkmälern der Stadt blieb weitgehend unbekannt. Seit der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts bemühten sich auch lokale Geschichts- und Altertums­forscher im Zuge des allgemein erwachten Interesses an der Erschließung archäo­logischer, historischer und architektonischer Quellen vergangener Jahrhunderte. So gab G. A. R. v. Rochow 5Geschichtliche Nachrichten von Brandenburg und dessen Alterthümer heraus. Diese Abhandlung blieb jahrelang die Grundlage für die Kenntnis über die Vergangenheit der Stadt. Sie wurde erst durch die fleißige Darstellung der Geschichte Brandenburgs von M. W. Heftter 7 übertrofEen. Heffter war Gymnasialprofessor. Er verfaßte auch denWegweiser durch Brandenburg und seine Altertümern, der bis 1888 in mehreren Auflagen erschienen war*. Diesen Wegweiser hatte der Buchhändler und Verleger Wiesike an Fontane geschickt. Heffter war Fontane durchaus dem Namen nach als Autor bekannt. Als letzterer Stoff für sein Wanderungskapitel über Lehnin sammelte, stieß er auch auf Heffters Geschichte des Klosters Lehrtin*.

Erst zu Ausgang des 19. Jahrhunderts begann die Geschichtsforschung in Bran- denburg/H. nach außen zu strahlen. 1868 gründeten an der Geschichte der Stadt und des Havellandes interessierte Schulmänner den Historischen Verein zu Bran­denburg, der schnell seine erste Blüte erlebte. Die seit 1870 herausgegebenen Jahresberichte vermittelten zahlreiche allgemeine und Spezialkenntnisse zur Geschichte und Altertumskunde und trugen wesentlich zur Popularisierung histo­rischen Wissens bei soweit sie überhaupt breite Schichten der städtischen Bevölkerung erreichten.

Fontane schöpfte selbst aus diesen Berichten. So exzerpierte er sehr sorgfältig einen Bericht des Gymnasiallehrers R. Grupp über Ring- und Burgwälle zwischen Potsdam und Rathenow. Für seinen WanderungsbandFünf Schlösser benutzte er redlich eine Geschichte der Stadt Plaue von F. Horn, die im 2. bis 3. Jahres­bericht erschienen war.

Die umfassende und systematische Aufarbeitung der Geschichte sowie der Bau- und Kunstdenkmäler Brandenburgs sah Fontane noch heranreifen. Die umfangreichen Arbeiten von R. Schillmann und R. Bergau entstanden noch zu des Dichters Lebzeiten. Ihren Höhepunkt und hoffentlich nur vorläufigen Abschluß fanden diese grundlegenden Werke zur Geschichte und Kunst Brandenburgs in der Darstellung der Stadtgeschichte durch O. Tschirch und durch die Kunstdenkmälerinventari­sation 15 .

Anmerkungen

1 Das Original des Briefes nebst Umschlag befindet sich im Besitz des Museums Brandenburg (Inv.-Nr. V 6103) und kam wahrscheinlich als Geschenk der Familie Wiesike über den Historischen Verein zu Brandenburg in die Sammlung des Museums.

2 Hermann Wiesike war Inhaber des Verlages und der Verlagsbuchhandlung J. Wiesike. Vgl. F. Cramer und H. Neumann, 275 Jahre Buchdruckerkunst in Brandenburg (Havel), Brandenburg 1939, S. 44 ff. Er leitete den Verlag von 1890 bis 1907.

3 Vgl. Th. Fontane, Fünf Schlösser. Altes und Neues aus Mark Brandenburg. Berlin, Verlag v. W. Hertz, 1889, S. 139 ff.

4 A. v. Minutoli, Denkmäler mittelalterlicher Kunst in den Brandenburgischen Marken. Berlin 1836.

5 F. Adler, Mittelalterliche BaCkstein-Bauwerke des preußischen Staates. Berlin 1862, S. 3.

6 G. A. R. v. RoChow, Geschichtliche Nachrichten von Brandenburg und dessen Alterthümern. Brandenburg 1821.

7 M. W. Heffter, Geschichte der Kur- und Hauptstadt Brandenburg von den frühesten bis auf die neuesten Zeiten. Potsdam 1840.

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