hagere, karikirte Spanier aussehend“ in der Potsdamer Straße lustig und stellt fest: „Ich habe kein Organ für all’ dies Wesen, und mir wird immer erst wieder wohl, wenn ich von 10 bis 3 Uhr nachts mit meinem Freunde Stanley um den Viktoria-Nyanza-See herumfahre und in der Schilderung seiner Erlebnisse die Stimme der Natur zu hören glaube.“ Henry Morton Stanley (1841-1904), jüngerer Zeitgenosse Fontanes und amerikanischer Zeitungsreporter, war seit seiner erfolgreichen Suche nach dem verschollenen Afrikaforscher David Livingstone bereits eine weltbekannte Persönlichkeit, als er von 1874 bis 1877 seine Ost-West- Durchquerung Afrikas unternahm. Die wichtigsten Ergebnisse dieser Expedition waren die Feststellung von der Größe und Gestalt des Viktoria- und des Tanganjika-Sees, die Entdeckung des Ruwenzori- Gebirges und des Edward-Sees und schließlich die Erforschung des Kongolaufes vom Lualaba bis zur Mündung. Den Reisebericht veröffentlichte Stanley 1878 in London in dem zweibändigen Werk “Through the dark continent“. Im gleichen Jahr erschien die deutsche Übersetzung bei Brockhaus in Leipzig unter dem Titel „Durch den dunkeln Welttheil oder Die Quellen des Nils, Reisen um die großen Seen des aequatorialen Afrika und den Livingstone Fluß abwärts nach dem Atlantischen Ocean“. Dieses Buch las Fontane im ersten Halbjahr 1879. Das geht aus einer Eintragung in seinem Tagebuch 1866—1882 (Fontane-Archiv, Sign. G 4,3) hervor, in der es heißt: „ ... und vergnüge mich allmählich bei der Lektüre von Stanley’s ,Quer durch Afrika“ 1 . In einem Brief an seine Frau schreibt Theodor Fontane überdies am 8. 6. 1879: „Gestern abend machte ich mich noch ernsthaft an Stanley’s Reise durch Afrika und habe auf den beiden Riesenkarten die ganze Reise von Ort zu Ort verfolgt, wozu einem ein angehängtes Itinearium (sic! K.S.-E.) von nur etwa 30 Seiten gute Gelegenheit gibt. Ich weiß nun ganz genau über den Gang im großen und ganzen Bescheid und kann, mit Übergehung alles Nebensächlichen, die Hauptsachen im Detail leicht nachholen. Es war eine sehr mühevolle Arbeit, und ich kam erst nach zwei Uhr zu Bett, ganz ermattet von der Gedächtnisanstrengung...“ Der Genauigkeit halber sei erwähnt, daß es weder im Deutschen noch im Englischen ein Buch von Stanley mit dem Titel „Quer durch Afrika“ gibt, und daß die im untersuchten Konspekt angegebenen Seitenzahlen, die zwei großen Faltkarten in Band 2 und das erwähnte Itinerar einwandfrei auf die Verwendung der obengenannten deutschen Ausgabe hinweisen.
Eine Untersuchung des erhaltenen Konspektes ergibt zunächst, daß Fontane fast ausschließlich Notizen aus dem Inhalt des ersten Bandes des Stanleyschen Werkes gemacht hat, daß er also dem bei weitem spektakulärsten Erfolg des Forschers, nämlich der Flußreise auf dem Kongo (von Stanley „Livingstone-Fluß“ genannt) bis zur Mündung, keine nähere Aufmerksamkeit geschenkt hat. Weiterhin fällt auf, daß die Aufzeichnungen Fontanes, folgt man der angegebenen Blattzählung, nicht der Handlungsfolge bei Stanley entsprechen. Schließlich enthält die Niederschrift auch Notizen, die offensichtlich nicht dem Reisewerk entstammen, sowie persönliche Gedanken und Bemerkungen Fontanes.
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