losen nicht bei, folgte aber gern gelegentlichen Einladungen u. a. einer solchen zu einer Landpartie an die Havel, die uns alle an einem schönen Sonnabend-Nachmittag in Kremsern (Große Gemeinschaftswagen, die man längst nicht mehr kennt 12 ) nach Picheiswerder führte 13 . Dort hatte ich Gelegenheit, mich mit Theodor Fontane etwas intimer zu unterhalten. Wir sprachen über die liebenswürdige einfache und charakteristische Landschaft und ich sagte, auf sie, den Ausspruch Gervinus’ anwendend, daß sie nur genießen könne, wer den 6ten Sinn dafür habe. Fontane horchte auf und fragte mich, wo und in welchem Zusammenhänge das bei Gervinus stehe. Ich antwortete: Es stehe in seiner Würdigung von Jean Paul, in seiner großen Literaturgeschichte 14 . Was sonst noch gesprochen wurde, weiß ich längst nicht mehr. Es wurde allerlei angeschnitten und die Unterhaltung wurde wohl auch lebhafter. Dann war ich einmal durch Vermittlung des Doktor Schlenther, des späteren Burg- Theater-Direktors 1 ’ 1 , in Fontanes Wohnung in der Potsdamerstraße 11 '. Ich hatte ein Anliegen an ihn, er sollte für mein Wiener Blatt etwas schreiben, was er aber heiter und bestimmt ablehnte. Wir kamen indessen in ein stundenlanges Gespräch, und meine Eigenschaft als geborener Westpreuße gab ihm die Gelegenheit, allerlei politische Fragen an mich zu stellen, die für mich nur darum von Interesse waren, weil F. einen merkwürdig persönlichen und offenbar sehr kritischen Standpunkt zu den damaligen Polen-Gesetzen 17 einnahm. Von meinen Gesprächen mit F. ist mir nur diese Episode in Erinnerung geblieben. Ungefähr in dieser selben Zeit veröffentlichte die Kreuz-Zeitung einen Brief von F ontane 18 , den ich jahrelang aufbewahrte, der mir aber leider abhanden gekommen ist. An wen der Brief gerichtet war, weiß ich nicht mehr, sein Inhalt war aber höchst bedeutend und stand im starken Gegensatz zu der damaligen anti-polnischen Bewegung im politischen Leben. Vielleicht haben Sie den Brief schon, sonst wüßte ich nicht, wie ihn beschaffen. Fontane äußerte darin merkwürdig offen und höchst pessimistisch seinen Zweifel an einem dauernden Erfolge der Bismarekschen Polen-Politik. Der Brief kam ungefähr darauf hinaus, daß ein Windstoß genügen werde, das anscheinend so stolze Gebäude der preußischen Polen-Politik zu zerstören. Wie recht der Briefschreiber hatte, hat der Verlauf der Ereignisse in und nach dem Weltkriege bewiesen 19 . Stil und Wirkung der Wohnung Fontanes gehörten ganz zu diesem merkwürdigen Manne. Es waren niedrige Räume im dritten Stock, einfach gemütliche Mahagoni-Möbel, würdig und behaglich. Die Damen Fontanes, seine Frau und seine Tochter Martha, habe ich nie gesehen. Charakteristisch für das schlichte und unpräsentative Auftreten des herrlichen Mannes war, was mir Schlenther über die Beerdigung des Sohnes Georg in Lichterfelde erzählte. Fontanes Verleger, der Buchhändler Hertz 20 , folgte ebenfalls dem Sarge. Es ergab sich, daß F., der mit Schlenther zusammen ging, etwas abgedrängt wurde, und daß der alte Hertz statt seiner dem Sarge folgte. Da sagte F. zu Schlenther: Jetzt denken die Leute, daß das der Vater ist, von mir wissen sie natürlich nichts. Sie sehen und lesen, daß ich Ihnen wirklich nichts Persönliches
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