beim Prinzen Champagner zu trinken; gab es statt des Champagners Sch[w]arzhof- oder Brauneberger und statt der Parmesan-Stangen Kümmelbrötchen, so hätt’ ich midi vielleicht schon wieder gesund gemeldet. Leider kann ich immer noch nicht arbeiten, nur dann und wann ein Brief. — Das Diner bei W. Gentz, von dem Dir Mama vielleicht geschrieben hat und das eine Huldigung gegen den russischen Maler Wereschschägin war, verlief sehr angenehm; leider mußt’ ich um 8 ins Theater, um wenigstens die beiden Schlußakte von »-Kabale und Liebe« zu sehn. — Eins wollt’ ich Dir noch schreiben; mache Dir, wenn Du Zukunftsbilder malst und bei dieser Gelegenheit auch das Thema »Ausstattung» überdenkst, darüber keine Sorgen. Ich habe dies mit Mama durchgesprochen und wir werden das Nöthige zu beschaffen wissen, indem wir uns zu Zinszahlungen verpflichten und zwar mit aller Freudigkeit. Nur das entsprechende Kapital aufzutreiben, würde uns einfach unmöglich sein. Und nun lebe wohl und habe am Sonntag einen frohen Tag. Ich schreibe morgen an Witte. Empfiehl mich allerseits. Wie immer
Dein alter Papa.
Brief 305
Berlin, 13. Aug. 89.
Potsd. Str. 134.C.
Meine liebe Mete.
Lange habe ich nichts von mir hören lassen und ich schwiege auch heute wohl noch, wenn nicht Tante Witte über Dein Befinden geschrieben und uns mitgetheilt hätte, daß Deine seelische Verfassung immer noch ziemlich mau sei. Das klingt nicht gut und Mama hat sich bis zu Thränen verstiegen, was ich nur halb in der Ordnung finde, höchstens halb. Schließlich ist alles zum Weinen, das Heitre (warum sind sie nur so heiter?) erst recht und der christliche Liederdichter, der anflng »ich bin ein rechtes Sündenaas«, woran sich dann ähnliche Betrachtungen anreihten, hatte mit seinem Anfang und seinen Fortsetzungen vollkommen recht. Aber in der Regel sieht man die Dinge weniger schwarz an, oder legt sich das Schlimme zum Besseren zurecht und weint nur wenn es ganz »doll« kommt oder einem allerschmerzlichst und zum Aufschrein auf die Nägel brennt. Und so, find’ ich, liegt es nicht mit Dir, daß von einem »ganz doll« die Rede sein könnte. Du bist eine nervenkranke Dame, etwas nicht sehr Erfreuliches, womit man sich aber einleben kann und muß. Ich bin zeitlebens ein nervenkranker Mann gewesen und es hat auch gehen müssen und ist gegangen. Man muß die Kunst lernen und ausbilden, mit halber und viertel Dampfkraft zu arbeiten und muß sich daran gewöhnen, immer nur stunden- oder tage- weis Dispositionen über sich zu haben. Ist man erst darauf eingefuchst, so lernt man diese guten Stunden ausnutzen und schafft durch weise Oekonomie schließlich dasselbe zusammen, wie die Kraftmeier und Schlagadodros [im MS: Schlagadodrogs], Ich denke, so wird es auch mit
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