Heft 
(1977) 25
Seite
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nicht, ob sie Dir gleich geschrieben und ihre Freude ausgesprochen hat, bezweifle es aber, da sie heute Renntag hat, nicht in dem schrecklichen Sinne von »ich muß immer rennen« (eine Lokomotion, die leider, seit Jahr und Tag, auch nicht bei ihr ausgeschlossen ist) sondern ganz einfach und anständig im Sinne von »umherrennen«. Sie war heute Mittag bei Sauers, wo sie ihn recht elend fand (Herzgeschichte) und ist in diesem Augenblicke bei Frau Stephany. Dabei hat sie heute Vormittag eine kurze Begegnung mit der Geheimräthin Herrlich, (die Feder sträubt sich immer) und gleich danach mit Marthachen II. gehabt. Wenn ich mir nun zusammenrechne, was vom Sonntag an im Gespräch mit Frau v. Wangenheim und der Lübke, dann heute mit Frau Sauer und Frau Stephany, desgleichen mit der Herrlich und Marthachen II. an Wendun­gen über Männer und Ehe verzapft worden ist, so fehlen nur noch meine zwei Schwestern, Tante Jenny und Tante Lise, um einen Hochgenuß für Götter herzustellen.

Aber spreche ich lieber von Deiner Krankheit, d. h. von Deiner Gesund ­heit. Ich werde, als Doktor, doch noch bei Dir zu Ehren kommen. Was predige ich Dir seit Jahr und Tag? Mete, so heißt es (und ich muß es wiederholen, trotzdem Du meine Weisheitssätze besser vortragen kannst, als ich selbst) Mete, Du bist gesund und hast blos leidige Nerven. Das kann unter Umständen schrecklich sein, ist aber, bei sonst »guter Kon­stitution« (siehe den 23jährigen Großvater) und glücklichem d. h. melan­choliefreiem Temperament, nie hoffnungslos. Deshalb nicht, weil der be­kannte Satz von Lord Byron »ich legte mich unberühmt zu Bett und stand berühmt wieder auf«, bei derartig Nervenafficirten dahin zu mo­deln ist: »ich legte mich krank zu Bett und stand gesund wieder auf.« Das heißt, am andern Morgen, sonst ist es kein Kunststück und können andre auch. Einem Menschenkinde wie Dir, ist immer wieder beizukommen, und wenn ein bestimmtes Etwas eintritt oder beim Suchen glücklich gefunden wird, so »fällt es plötzlich von einem ab«. Dies »Etwas« kann das Mannichfachste sein: ein Beefsteak ein Glas Chateau dYquem, eine wundervolle Birne, ein Brief, ein heitres Gedicht, ein Witz, ein Lachen, vor allem ein Luftwechsel, ein liebes Gesicht, ein Glück. Das Allerletzte ist selten (14 Tage im Leben) aber das Andre giebt es alles noch und Du bist zur Zeit im gleichzeitigen Besitz mehrerer der aufgezählen Posten. Freu Dich derselben und erfreue uns durch Deine Wiederkehr. Herzlichste Grüße Allen. Wie immer Dein alter

Papa.

Anmerkungen

Brief 240: Es handelt sich hier offensichtlich um eine Antwort auf Metes Brief vom 16. 2. 82 aus Rostock; siehe Mete Fontane, Briefe an die Eltern, 1974. S. 228 f.

Brief 305: Fontanes Sohn George, gest. 1887, war auf dem Friedhof in Lichterfelde begraben.

Brief 307: Der vorletzte Abschnitt ist meines Wissens bisher noch nirgends abgedruckt worden. Kurt, Paul und Max Sommerfeldt, die Söhne Jennys. Paul ging tatsächlich nach Amerika, wo er Kaufmann wurde.

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