Christa Schultze (Berlin)
Zur Entstehungsgeschichte von Theodor Fontanes Aufzeichnungen über Paul und Rudolf Lindau
(mit einem unveröffentlichten Entwurf Fontanes und unbekannten Briefen)
I
Vor drei Jahren publizierte die Nymphenburger Ausgabe der Werke Fontanes im zweiten Band der „Literarischen Essays und Studien“ einen aus zwei Quellen zusammengesetzten, „Paul und Rudolf Lindau“ betitelten Artikel 1 . Teil I und III dieser Publikation ist ein Wiederabdruck aus der 1923 verfaßten Dissertation von Erhard Klette, der damals, die Grundlagen zu dem 1908 von Josef Ettlinger herausgegebenen Nachlaßband überprüfend, „bei einem Besuche im Hause des jüngsten Sohnes des Dichters, des Herrn Verlagsbuchhändlers Friedrich Fontane in Neuruppin“ Theodor Fontanes dort aufbewahrten Nachlaß mit einer „unerwarteten Fülle von gänzlich unbekanntem Material“ 2 einsehen konnte. Klette zitiert von dem in diesem Nachlaß aufgefundenen, von Fontanes Hand auf der ersten Seite „Paul und Rudolf Lindau“ überschriebenen Entwurf jedoch nur ein knappes Drittel, nämlich den Anfang und — seinem Thema über Fontane als Kritiker deutscher erzählender Werke folgend
— den Schluß mit Fontanes Kritik an Paul Lindaus Redaktion der Zeitschrift „Die Gegenwart“. Teil II von „Paul und Rudolf Lindau“ der Nymphenburger Ausgabe greift daher zum Zwecke der Vervollständigung
— unter Fortlassung der beiden ersten Absätze, die eine Raffung der bei Klette zitierten darstellen — auf einen Artikel zurück, der im September 1924 ohne Nennung des Editors unter dem Titel „Verkehr mit Paul Lindau. Aus dem Nachlaß von Theodor Fontane“ in der Sonntagsausgabe der „Vossischen Zeitung“ veröffentlicht worden war 2 , und der
— abgesehen von anderen Unterscheidungen, von denen noch die Rede sein wird - die Kritik an der „Gegenwart“ nicht enthält.
Die Handschrift, die Klette Anfang der zwanziger Jahre in Neuruppin eingesehen hatte, erwarb im Februar 1935 zusammen mit einigen anderen Autographen für 400 Mark die damalige Preußische Staatsbibliothek von Frau Sophie Dobert aus Nächst-Neuendorf bei Zossen 4 und ordnete sie den Teilen zu, die bereits auf der Nachlaß Versteigerung durch Meyer & Ernst im Oktober 1933 5 von der Bibliothek angekauft und als „Nachlaß Fontane“ katalogisiert worden waren. Seit der Übergabe aller Fontane-Autographen der Berliner Bibliothek im Jahre 1965 befindet sich die Handschrift im Potsdamer Theodor-Fontane-Archiv, das heute der Deutschen Staatsbibliothek angegliedert ist. Die Handschrift besteht aus 15 doppelseitigen Foliobogen (also 30 Blatt), die - beide Mittelseiten freilassend — jeweils auf der ersten und vierten Seite beschrieben sind. Die dem Entwurf beiliegende Vorderseite eines alten Umschlagdeckels trägt die Aufschrift „Convolut 10“, den Titel „Paul und Rudolph Lindau“ und — von der Hand Friedrich Fontanes — die Bemerkung: „Siehe auch den im Nachlaßband schon gedruckten Artikel über Rudolf Lindau