gewesen, verdankte Fontane zweifellos dem Bruder Paul, der ihm 1872 bei einem Besuch in der Luisenstraße 37 „allerlei von der Größe der Familie Lindau vorrenommierte, dabei mit Vorliebe (und mit Recht) bei den Qualitäten seines Bruders Rudolf verweilend“ (vgl. weiter unten, S. 45).
Erst ein knappes Jahrzehnt später, im März 1881, kam es zu einer direkten Berührung zwischen Fontane und Rudolf Lindau, bei der wiederum Paul Lindau den Mittelsmann spielte. Die Begebenheit war für Fontane wichtig genug, um ,in seinem Tagebuch vermerkt zu werden. Im Frühjahr 1879 hatte er, an der Biographie Bismarcks für das Prachtalbum „Vaterländische Reiterbilder aus drei Jahrhunderten von W. Camphausen“ arbeitend, eine Übersetzung benutzt, die unter dem Titel „Fürst Bismarck in der englischen Presse“ im August 1878 in Paul landaus „Gegenwart“ erschienen und deren ungenannter Verfasser Rudolf Lindau war. Obwohl Fontane Panegyrisches in Lindaus Schilderung und dessen Beschreibung des äußeren Habitus des Kanzlers weitgehend ausläßt, fällt an seiner Bismarck-Biographie |/ ‘ dennoch der merkwürdige Gegensatz zwischen anfänglich nüchterner (weil eigener oder Brachvogelscher) Darlegung des Lebensweges und der vom Beginn der Hinwendung zu „seiner Erscheinung, seinem Charakter“ immer mehr zunehmenden Anteilnahme und Kenntnis von Privatem überraschend ins Auge. Eine solche Kenntnis konnte nur jemand haben, der wie Rudolf Lindau zur engeren Umgebung des Beschriebenen gehört hatte. Diese Uneinheitlichkeit in Fontanes Bismarck-Biographie findet durch den weiter unten abgedruckten Brief Rudolf Lindaus an Fontane vom 31. März 1881 nun ihre Aufklärung. Bei der schnell verfertigten Brotarbeit 15 an den „Reiterbildem“ dürfte Fontane sich zunächst wenig darum gekümmert haben, wer der eigentliche Verfasser der im August 1878 in der „Gegenwart“ erschienenen Übersetzung aus der „ältesten und vielleicht angesehensten englischen Monatsschrift“ 16 gewesen ist. Erst als der spätere erste Herausgeber seiner gesammelten Werke Emil Dominik in der illustrierten Berliner Wochenschrift „Der Bär“ am 26. März 1881 zum bevorstehenden Geburtstag Bismarcks auf zwei Seiten dessen Porträt brachte und dabei in gutgemeinter Absicht der Arbeit Fontanes gedachte und auszugsweise mitteilte, „wie unser liebenswürdiger Landsmann . .. den heutigen deutschen Reichskanzler schildert“ 17 , kamen Fontane ernste Bedenken. Am Sonntag, dem 27. März 1881, notierte er: „Ein ,Bär‘-Artikel, in dem mir Freund Dominik eine Bismarck-Biographie zuschreibt (und sie lang und breit zitiert), die nicht von mir herrührt, beunruhigt mich eingermaßen. Ich schreibe Briefe an Dominik und [Paul] Lindau, um die Sache nach Möglichkeit wieder in Ordnung zu bringen“ 18 . Schon einen Tag später, am 28. März, erhielt er eine Antwort von Dominik, und unter dem 30. März verzeichnet er ein „Gespräch mit Julius Grosser über Rudolf und Paul Lindau“ und den Empfang eines weiteren Briefes von Dominik in der „Bismarck- Artikel und Rudolf-Lindau-Angelegenheit“. Am 31. März heißt es dann: „Brief von Paul Lindau“.
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