Erst diese Affäre brachte beide Schriftsteller einander näher. Rudolf Lindaus liebenswürdige Entschärfung der „Bismarck-Artikel-Angelegenheit“ im Brief vom 31. März 1881 (vgl. im Anhang Brief 5), den Fontane am 1. April 1881 erhielt und noch am selben Tage beantwortete, ließ sein Interesse an dem Menschen Rudolf Lindau hellwach werden 19 . Seine Aufmerksamkeit für den Schriftsteller, der gleich ihm nach langjährigem Wirken als Journalist, Reise- und Kriegsberichter seit den siebziger Jahren belletristisch tätig war, hatte er bereits im Dezember 1880 in einer kurzen, in der „Vossischen Zeitung“ gedruckten Notiz über dessen Novellenband „Die kleine Welt“ bekundet. Damals bescheinigte er dem Kollegen ein „echtes Schriftstellertalent, das unter geflissentlicher Vermeidung großer Worte, aus einer anscheinend allerschlichtesten Vortragsweise heraus, große Wirkungen zu erzielen weiß,, 20 . Es will schon etwas heißen, daß Fontane, der im reifen Lebensalter seinen gesellschaftlichen Verkehr durchaus nicht intensivierte, am 25. Januar 1883 plötzlich die Initiative ergriff und sich dem reservierten Legationsrat mit dem Ziel weiteren Kontaktes näherte. Im Jahre 1880 hatte er sich noch auf einer Gesellschaft Pauls, bei der Rudolf Lindau zweifellos zugegen war, um seinem langjährigen Chef, dem deutschen Botschafter in Paris Chlodwig von Hohenlohe (vgl. weiter unten, S. 44, Punkt 8) zu assistieren, „ganz deplaciert“ und völlig „in-den-Skat-gelegt“ gefühlt. Am 25. Januar 1883 aber legte er es geschickt darauf an, den als Schriftsteller vom Beifall der Menge keineswegs verwöhnten Rudolf Lindau durch gute Kenntnis seiner Novelle „Gordon Baldwin“ zu erwärmen, wußte er doch aus eigener Erfahrung: „Lob ist billig und das Vergnügen fängt erst an, wenn man wahrnimmt, daß der andere mit Aufmerksamkeit und Interesse gelesen hat.“ 21 Für den Besuch in der Alsenstraße 2, der durch zweifachen Briefwechsel für den 23. Februar 1883 verabredet wurde (vgl. im Anhang Briefe 7 und 8), präparierte sich Fontane geradezu: er las nicht nur Lindaus eben erschienenen Novellenband „Wintertage“ (enthaltend „Im Park von Villers“, „Hans der Träumer“ und „Souvenir“) sowie dessen im Januar- und Februarheft von „Nord und Süd“ abgedruckte Novelle „Der Gast“, er verfaßte darüber hinaus zur Klärung seiner Gedanken über alle vier Novellen in seiner üblichen Manier flüchtige Aufzeichnungen. Diese vier, in Abschrift im Fontane-Archiv Potsdam befindlichen Aufzeichnungen 22 sind alle im Februar 1883 (vor dem 23.) entstanden
Zweifellos spielte bei Fontanes Vorstoß der Wunsch eine Rolle, die unangenehme Geschichte vom März 1881 ganz auszulöschen. Darum kommt auch dem abschließenden Satz des Gesprächs mit Rudolf Lindau „Von Bismarck kein Wort“ noch eine andere Bedeutung zu als die bisher interpretierte: absolute Diskretion auf Seiten des nunmehrigen Leiters des Pressedezernats der ostasiatischen und nordamerikanischen Angelegenheiten im Auswärtigen Amt in Berlin. Beide Gesprächspartner vermieden vielmehr ein Thema, das unliebsame Erinnerungen wecken und den angenehmen Abend stören könnte. Doch ging es nicht in erster Linie um Vergangenes. Fontane lag es in dieser frühen Etappe seines
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