Heft 
(1977) 25
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jedem echten Gespräch war er ebenso Gebender wie Nehmender. Die Frage-Antwort-Form der Schilderung des Besuchs war nicht zuletzt durdi Fontanes starkes Beteiligtsein an dem diskutierten Gegenstand verur­sacht; überdies wurdeRudolf Lindau zweifellos sehr bald nach dem Besuch, als alles Gesprochene noch frisch im Gedächtnis haftete, nieder­geschrieben. Auch Fontanes Beschreibung des eine Woche später empfan­genen Besuchs von Paul Heyse (am 2. März 1883) ist übrigens vorwiegend eine Wiedergabe des gehabten Gesprächs, bei der Fontane in einer Rand­notiz hervorhebt, daß der Münchner von allen literarischen Größen Berlins nur von Rudolf Lindaueinen absolut guten Eindruck emp­fangen zu haben schien 21 . Die Dialogform erreicht durch ihre Unmittel­barkeit eine Wirkung, daß der heutige, von berichterstattenden Medien umgebene Leser beiRudolf Lindau das Gefühl hat,fast ein Inter­view 30 vor sich zu haben. Doch hatte Fontane während des Besuchs bei Rudolf Lindau zwar als Fragender, um nicht zu sagen als Ausfrager fungiert, aber keineswegs die Absicht einer Berichterstattung gehabt. Ihm war es hier vielmehr wie bei den meisten im Nachlaß aufgefundenen Aufzeichnungen in erster Linie um Selbstverständigung gegangen. Das Hingleiten des Gesprächs von Photographien Lindau verwandter Kinder über dessen japanische Kostbarkeiten bis zum Bild des Beiden bekannten Helgoländer Malers Gaetke, das Lindau in einer seiner besten Novellen verarbeitet hat, ist Erwärmen des Partners und damit Vorbereitung auf dasEigentliche, das Fontane aus dem ihm kon­gruenten, aber weltkundigeren und aussagefähigen Gegenüber hervor­zuholen hoffte nämlich die ihn um seines eigenen Schaffens willen interessierende Aussage über die literarische Produktionsweise des an­deren.

Das hier zur Verdeutlichung des Zusammenhangs aller Paul- und Rudolf-Lindau-Aufzeichnungen so breit ausgeführte Gespräch mit Rudolf I.indau offenbarte seinerzeit erst beim Schreibakt sein volles Gewicht und verdrängte frühere Absichten, die Fontane bei Abfassung vonPaul und Rudolf Lindau und vonRudolf Lindau vorgeschwebt haben mochten.Rudolf Lindau verselbständigte sich gewissermaßen. Diese Niederschrift paßte nun weder in der Form noch im flehalt zu dem, was uns als EntwurfPaul und Rudolf Lindau vorliegt: ein Teil des letzteren wurde zum Rohmaterial. Fontane entnahm ihm den Punkt 9 und benutzte ihn in gekürzter Form als Einleitung fürRudolf Lindau. Die Aufzählung der Gäste auf Paul Lindaus Gesellschaft vom 25. Januar 1883 entfällt in dem einleitenden Absatz vonRudolf Lindau ebenso wie die Einzelheiten über Paul Lindaus StückMariannes Mutter; alles lenkt nun in der Erwähnung des 25. Januar auf das vier Wochen später geführte Gespräch über literarische Fragen hin. Dabei passiert es wie wohl auch in Wirklichkeit geschehen, daß Rudolf Lindaus Novelle Gordon Baldwin zweimal ..durchgenommen wird: bei der Schilderung der inRudolf Lindau (im Gegensatz zu Punkt 9 vonPaul und Rudolf Lindau) ausführlich dargelegten Unterhaltung mit Rudolf am Abend

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