und der Roman zwei Jahr nach seinem Erscheinen von Pietsch besprochen. Paul Lindau hat nie die Feder für mich angesetzt. Da darin kein eigentlich böser Wille lag, so hab ich’s ihm nie übel genommen, bin vielmehr immer auf dem besten Fuß mit ihm geblieben, glaub’ auch beiderseits ehrlich. Ich war ihm sympathisch, er mir. Aber sonderbar bleibt es doch. Er hielt mich entweder für grenzenlos gutmüthig, oder für grenzenlos unbedeutend, oder war — wenn weder das eine noch das andre zutreffen sollte — der grenzenlos verbummeltste Redakteur. War ich nicht wohlwollender Theater-Referent gewesen, der doch nicht absolut ignorirt werden konnte, so hätte durch ein Jahrzehnt hin meine ganze literarische Thätigkeit: Kriegserlebnisse, Kriegsbuch, Wanderungen, Gedichte, Roman, nicht einmal eine Erwähnung gefunden. Es wird nicht viel Seitenstücke dazu geben.
Aber, wie gesagt, wir blieben auf gutem Fuß und so hatt’ ich die verschiedensten Begegnungen mit ihm:
1. Auf dem 150-jährigen Jubiläumsfest der Vossischen Zeitung 3 . Von der „Gegenwart“ war eben die erste Nummer erschienen 4 .
2. Ich machte ihm einen Besuch in seiner Wohnung, wenn ich nicht irre Luisen-Straße 37, eine Treppe. Er empfing mich artig und liebenswürdig und renommirte mir etwas vor über die „Lindaus“ 5 , ganz wie Bruno Bauer mal dem alten HesekieV' einen Tisch-Vortrag über die Weltbedeutung der Bauer’s 1 gehalten hatte, wobei er eine Parallele zwischen den Bauers und den Napoleons zog. Es gab also auch damals schon (Mitte der 50er Jahre) wunderbare Heilige.
3. Einige Zeit nachher wurde ich zu einem Frühstück geladen das etwa von 1 oder 2 bis gegen 10 dauerte. Ich ging früher. Zugegen waren: Stilke, Rodenberg, Berthold Auerbach, Oppenheim, Stettenheim. Die Mehrzahl der Gäste hab ich vergessen. Spielhagen, Frenzei, die sich immer retire hielten, waren nicht zugegen. Es ging sehr opulent her; kalte Speisen; der Champagner war Tischwein. Einzelheiten sind mir nicht mehr im Gedächtniß. Rodenberg wurde schläfrig und wurde, zum Gaudium der Gesellschaft, zu Bette gebracht; man legte ihn ins Nebenzimmer auf ein Sopha und deckte ihn zu. Er schlief auch ein, alles Nebenan-Spektakels unerachtet. Auerbach wurde mit Gutzkow (seinem Rivalen) geneckt; im uebrigen ist mir kein andrer Eindruck geblieben, als daß es „forsch“ herging, in einer Weise die man damals (1873) in literarischen und journalistischen Kreisen noch nicht kannte. Freilich, es war grade „Gründerzeit“, wo die Maurer Caviar zum Frühstück forderten „aber vom besten“.
4. Die 8 nächsten Begegnungen mit ihm hatt’ ich bei Stilke, Unter den Zelten 19 oder 21, erst in einer großen Abend- dann in einer kleinen Mittags-Gesellschaft. In der Abend-Gesellschaft war auch Lepel und brachte einen Toast aus „auf die Zukunft der Gegenwart“. Lindau erwie- derte „er danke und halte bei diesem Danke tapfer aus, trotzdem er diesen Toast in den letzten vier Wochen in zwölf Gesellschaften erlebt habe“. Es war wenig artig, aber vielleicht doch berechtigt, denn er hörte einen