eine große Ehre erweise“ während beide Lindaus die Sache als ein absolut gleichgültiges Ereigniß 8 * * 11 ansahen. Sie merkten sofort, daß man ihnen durch wohlwollende Steifheit, und ebenso durch einige Hof-, Adels- und Autoritäts-Namen imponiren wollte und drehten nun den Spieß um, indem sie sich mit vollkommenster Sicherheit in den Räumen bewegten, und gar nicht daran dachten sich irgendwem vorstellen zu lassen. Nicht einmal den Damen des Hauses. Sie kamen nur, lachten, nickten ein paar Bekannten zu, tranken Thee, tanzten, nahmen etwas Eis und verschwanden wieder. Gewiß war dies alles nicht artig und in dem Heydenschen Hause nicht recht angebracht. Aber artig oder nicht, im Ganzen genommen kann ich es nicht verurtheilen; die „Gesellschaft“ hier muß auf die Weise mit der Nase drauf gestoßen werden, daß die ausschließliche Herrschaft der Lieutenants und Barone vorüber ist.
7. Abermals ein Jahr später hatten Lindaus die Wohnung gewechselt und wohnten „Am Kronprinzen-Ufer“ ganz in Nähe der Alsen-Straße. Es war 78 oder 79 als ich eine Einladung erhielt, wieder zu einem „Dejeuner“ das dem amerikanischen Gesandten Bayard Taylor zu Ehren gegeben wurde 12 . Nächst B. Taylor war Berthold Auerbach, (der den Taylor übersetzt hat) die Hauptperson. Andre Gäste waren: Lasker, Professor Ihering aus Göttingen, Oppenheim, Julius Grosser, Ernst Dohm, wenn ich nicht irre, und viele andre. Frau Lindau, die einzige Dame, zwischen Taylor und Auerbach. Lindau erhob sich und sagte kurz und bescheiden: „da er der Rede nicht mächtig sei, werde sein Freund Auerbach sprechen“. Dies geschah. Er sprach gut, wie immer. Taylor dankte, erste Hälfte deutsch, zweite englisch. Dann sprach Lasker; auch gut, ein wenig langweilig doktrinär. Mit Ihering freundete ich mich so weit an, daß wir zusammen nach Hause gingen. Die Gesellschaft war sehr nett, das Breitspurige der Champagner-Epoche (Luisen-Straße) war ab- gethan und in würdiger und unterhaltender Weise verlief die kleine Festlichkeit. — Bald danach ward ein ähnliches Fest gegeben, wo Lord Odo Russell der Gefeierte war oder doch die Hauptperson. Ich lehnte ab, weil ich es für angemessen hielt, mich aus einem Kreise zurückzuziehen, in dem ich das Gefühl hatte, doch nie recht heimisch werden zu können. Die „Hof- und Ministerialperiode Lindaus“ hatte mittlerweile begonnen, zum Theil wohl unter Anleitung seines inzwischen nach Berlin hin übersiedelten Bruders Rudolf. Später that es mir doch leid, grade an diesem Russell - Abend gefehlt zu haben, da Lord Odo tags darauf ein Dankbillett an Lindau gerichtet hat, in dem es heißt: „Lieber Lindau. Manchen hübschen Gesellschafts-Abend hat mein Leben in Deutschland zu verzeichnen. Aber der gestern bei Ihnen verlebte, das muß ich Ihnen aussprechen, ist mir der liebste und interessanteste gewesen. Ihr Odo Russell.“
8. Trotz jener Absage (für den Russell-Abend) kam in der nächsten
Saison, ich glaube 80 oder 81, eine neue Abend-Einladung 111 . Ich nahm an.
Der ganze Zuschnitt hatte sich seit dem Taylor-Dejeuner, das vielleicht
nur zwei Jahre zurücklag, sehr verändert. Ein literarisches Element war
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