v/öhl noch da, aber verschwindend; alles war ministeriell, diplomatisch geworden. Ich wurde dem Fürsten Hohenlohe (Botschafter in Paris) und dem Grafen Wilhelm v[on] Bismarck vorgestellt. Der Fürst musterte meine Hosen, die er für zu hell oder vielleicht für zu wollhaarig — es war ein sonderbarer Stoff — zu halten schien. Dabei hatte es sein Bewenden. Die Majorität setzte sich aus Financiers und Geheimräthen zusammen; auch einige schöne Damen. Heinrich Kruse, mit der stereotypen Goethe-Haltung, plauderte mit Hohenlohe, ich mit Baron Korff. der auch nicht recht wußte, wie er die Zeit hinbringen sollte. Bald nach 11 brach ich auf; ich hatte mich nicht blos grenzenlos gelangweilt, sondern auch ganz deplacirt gefunden. Es war das erste Mal, daß ich in einer Berliner Gesellschaft das völlige in den Skat-gelegt-sein und die Herrschaft einer neuen Generation empfand.
Einige Zeit vorher 1 * (und das war auch wohl Grund meiner Einladung) hatte ein Ereigniß stattgefunden, das Lindau und mich als zwei Leidensgefährten wieder näher brachte. Die Goethe-Statue sollte enthüllt werden und Berliner Schriftsteller hatten seitens des Comites (G[eheim]rlat] v[on ] Loeper, Hiermann] Grimm etc.) Einladungen dazu erhalten. Lindau nicht. Er war empört, und mit Fug und Recht. Als er erfuhr, daß es mir ebenso ergangen sei, beruhigte er sich einigermaßen wieder, ein Gefühl, worin ich ihn aber stören mußte. „Lieber L[indau]“ schrieb ich ihm, „leider bessert der Umstand, daß i c h vergessen wurde, nichts. Ich bin wirklich einfach vergessen; kein Mensch hat mich kränken wollen; wenn etwas Kränkendes für mich vorliegt, so ist es das, daß wirklich kein Mensch an mich gedacht hat. An Bekanntere denkt man eben. Aber Sie, Sie sind nicht vergessen, Sie sind mit Absicht übergangen, und das ist kleinlich, das durfte nicht geschehn.“ Es entspann sich daraus eine Correspondenz 1 ’’, selbst Zusammenkünfte fanden statt.
9. Meine letzte Zusammenkunft bis Februar 1883 hatte ich mit Lindau am 25. Januar 83. Er wohnte um diese Zeit Von der Heydt-Straße 1. Es handelte sich wieder um Vorlesung eines Stücks: „Mariannens Mutter, Schauspiel in 4 Akten“ das in dem neuen „Deutschen Theater“ im Herbste 83 aufgeführt werden soll. Zugegen waren: die Schwiegermutter Frau Dr. Kalisch (Frau Lindau war abwesend, zur Kur in Warmbrunn), die Schwester Frau Gericke, geb. Lindau, Legationsrath Rudolf Lindau, Schriftsteller L’Arronge, Dr. Stettenheim, Dr. Jacobson (Jurist) 16 , Schauspieler Kadelburg 1 ’ und ich. Schon nach dem 3. Akt entspann sich eine große Debatte. Ich sagte ihm: „es ist alles auf Lösung eines Conflikts angelegt (Naturrecht gegen Civilrecht) der nicht zu lösen i s t. Und da haben wir denn die geborne Tragödie. Wie Sie heil und heiter d a heraus wollen, ist nicht abzusehen.“ Und so kam es denn auch. Lindau escamotirt den Conflikt und hilft sich mit einer Art Witz aus der Verlegenheit. Die Tochter, an die, blos zum Tort der eigentlichen Mutter, die Stiefmutter eigensinnigen und durch den Wortlaut des Gesetzes unterstützen Anspruch erhebt, verlobt oder verheirathet sich plötzlich und dieses dadurch neugeschaffene civil e
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