Ich habe noch eine Bitte. Beifolgend eine kleine Schrift von mir', deren Umfang mit darauf verwandter Arbeit nicht in rechtem Einklang steht. Ich wäre Ihnen dankbar, wenn Sie dieselbe lesen und in der „Vossischen Zeitung“ besprechen wollten. An der Vossischen ist mir besonders gelegen, da sie die „Gegenwart“ infolge ihrer zärtlichen Iäaison mit der anmutigen Frau Georgens 4 seit einiger Zeit recht kühl und stiefmütterlich behandelt.
Wenn Sie Ihr Weg einmal in unser Viertel führt, bereiten Sie mir vielleicht die Freude, mich zu besuchen.
Mit hochachtungsvollem Gruße Ihr Paul Lindau
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Gedruckt nach einer Abschrift von unbekannter Hand im Fontane-Archiv Potsdam.
1 Fontanes „Aufsatz über Warlensleben“ erschien erst ein Vierteljahr später in Nr. 15 der „Gegenwart“ (vgl. Anm. 1 zu Brief 2).
2 In Nr. 11 und 12 der „Gegenwart“ vom 6. und 13. April 1872 erschien von Karl Braun-Wiesbaden unter dem Titel „Zwei Rufer im Streit“ u. a. eine Kritik des anonymen Buches „Le dernier des Napoleons“ (Paris 1872).
3 Gemeint ist: Moliere. Eine Ergänzung der Biographie des Dichters aus seinen Werken von Paul Lindau. Leipzig 1872 (102 Seiten). - Fontanes Renzension erschien in der Sonntagsbeilage der „Vossischen Zeitung“, Nr. 21 vom 2G. V. 1872. Wiederabgedruckt: NFA, Band XXI/1, S. 281 f.
4 Darüber geschrieben anstelle ausgestrichenem: Herzens (oder Henzens).
2. Paul Lindau an Theodor Fontane
Berlin, 5. Mai 1872 Luisenstr. 37
Verehrtester Herr und Kollege!
Ihr Aufsatz ist nun endlich erschienen 1 . Leider drohen Sie mit einer langen Pause. Ich will Ihnen nicht lästig fallen, aber um eines möchte ich Sie doch gleich bitten: in den nächsten Wochen erscheint (ebenfalls bei Mittler) 2 das Buch meines Bruders „Die Garde im Feldzuge“. Ich selbst mag nichts darüber schreiben, aber ich möchte doch gern darüber einen Aufsatz haben und ihn würde niemand besser schreiben als Sie. Mein Bruder hat mit August von Württemberg den ganzen Feldzug mitgemacht und die in der Tat recht guten Korrespondenzen aus Gonesse 3 für den „Staatsanzeiger“ geschrieben. Seine Schilderung des Sturmes von St. Privat (in der „Kreuzzeitung“ und „Kölnischen“), die er auch in seinem Buch aufgenommen hat, halte ich — und ich glaube nicht, daß mich meine allerdings sehr starke brüderliche Zuneigung blendet — für ein kleines Meisterwerk. Er hat auch das Kreuz dafür bekommen. Gestatten Sie mir also, daß ich Ihnen den kleinen Band 4 zuschicke.
Daß Sie Ihre liebenswürdigen Gesinnungen in Sachen der „Gegenwart“ 5 und des „Moliere“ 6 nächstens coram populo dartun wollen, erfreut mich ungemein. Schon im voraus danke ich Ihnen.
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