Buchbesprechung
Theodor Fontane: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 1, Die Grafschaft Ruppin; Bd. 2. Das Oderland. Hrsg, von Gotthard Erler u. Rudolf Mingau. Berlin & Weimar: Aufbau-Verl. 1976.
„Er mußte alt werden, um ganz er selbst zu werden.“ So leitete Thomas Mann 1928 seinen Fontane-Essay ein. Wanderungen durch die Mark Brandenburg haben Fontane ein Leben lang begleitet. Sie gaben seinem Leben und Schaffen eine besondere Würze, und zwischen ihnen und seinen Romanen und Erzählungen war ein stetes Nehmen und Geben. Thomas Manns Bemerkung, daß „diese bei aller behaglichen Breite so leichte, so lichte Prosa ... mit ihrer heimlichen Neigung zum Balla- desken, ihren zugleich mundgerechten und versmäßigen Abbreviaturen etwas bequem Gehobenes, ... bei scheinbarer Lässigkeit, eine Haltung und Behältlichkeit, eine innere Form, wie sie wohl nur nach langer poetischer Übung denkbar ist“, ausstrahlt, dürfen wir mit Recht auch auf die „Wanderungen“ beziehen.
Der Aufbau-Verlag hat nun der schon seit vielen Jahren üppig blühenden Fontane-Forschung mit dem Beginn der Herausgabe der „Wanderungen durch die Mark Brandenburg“ im Anschluß an die achtbändige Ausgabe der Romane und Erzählungen einen Höhepunkt aufgesetzt. Mit zwei stattlichen Bänden liegen dem Leser in der DDR erstmalig vollständige Werkausgaben vor. In seiner Einleitung begründet G. Erler diese Neuausgabe, indem er auf „die unverwechselbare Position Theodor Fontanes in der Literatur des neunzehnten Jahrhunderts im erzählerischen Oeuvre“ hinweist und zeigt, wie stark er gerade auf seinen Fahrten durch die Mark „Stoffe und Motive, Personnage und Szenerie erkundete“ und mit den „Wanderungen“ das „schriftstellerische Handwerk erprobte und perfektionierte“. Fontanes Erzählungen und Romane, vor allem ihr Handlungsmilieu, werden erst durch die „Wanderungen“ dem Nichtmärker verständlicher. Daher weisen Erler und Mingau sehr richtig nach, daß Fontane noch zur Zeit von „Effi Briest“ und des „Stechlin“ neue Wanderungskapitel konzipierte und die Beschäftigung mit „Altes und Neues aus Mark Brandenburg“ Antrieb und Kraft für den Dichter gab.
Bei der Wertung der Fontaneschen „Wanderungen“ stimmen wir den beiden Herausgebern zu, wenn sie ihren Eigenwert auf „der literarischpublizistischen Eroberung eines Landstriches“, nämlich der märkischen Landschaft, beruhen lassen.Auch Fontane wollte schließlich und endlich nicht mehr. Eine Anspruch auf exakte Geschichtsschreibung oder gar wissenschaftliche Darstellung und Durcharbeitung hegte er nicht. Er hat dies oft betont. Das sollten sowohl die Leser als auch die Landeshistoriker immer wieder bedenken. Es ging dem Dichter darum, „ohne jegliche Prätension von Forschung, Gelehrsamkeit, historischen Apparat etc.“ seinen Landsleuten zu zeigen, „daß es in ihrer nächsten Nähe auch nicht übel sei und daß es in der Mark Brandenburg auch historische Städte, alte Schlösser, schöne Seen, landschaftliche Eigentümlichkeiten und Schritt für Schritt tüchtige Kerle gäbe“.
Hierin liegt auch für uns der große Wert der Fontaneschen „Wanderungen“. Für den stärker interessierten Regionalhistoriker haben die „Wanderungen“ nach großen Verlusten an Sachzeugen während und im Gefolge des zweiten Weltkrieges dokumentarischen Wert. Dem breiten
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