Heft 
(1977) 26
Seite
89
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dem Duell erklimmt Innstetten erfolgreich die Rangleiter, wie auch Armand von Ardenne, der bis zum Generalleutnant diente, eine Division kommandierte und 1919 starb. Indem Fontane bei der Gestaltung Inn- stettens die rein äußerlichen Züge der Biographie Ardennes beibehielt, schuf er das typische Bild eines Beamten des deutschen Reiches. Von Ardenne hatte verdienstvolle Fähigkeiten, mitunter neigte er zu Eska­paden; sein Leben verlief leicht und fröhlich. Innstetten geht ganz in seinem Dienst auf, er ist ein pedantischer Beamter, der ein gemessenes und geregeltes Leben führt. Seine Gestalt wird unter der Feder Fontanes zu einer fast symbolischen Figur, in der sich die konservativsten Kräfte des deutschen Reiches verkörpern.

Effi ist vor ihrer Ehe in vielem ihrem Prototyp, Elisabeth von Plotho, ähnlich: in der Neigung zur Phantasie, der Freiheitsliebe, der Lust zu übermütigen Streichen und der absoluten Indifferenz gegen Anstands­regeln und gesellschaftliche Normen.

Völlig anders als in der Wirklichkeit wurde die Geschichte der Verlobung und Heirat der Heldin dargestellt. Elisabeth und Armand kannten sich schon sehr lange, dennoch hatte es ihn große Mühe gekostet, das Jawort der schönen und eigensinnigen Elsa zu erlangen. Effi kennt den zu­künftigen Gatten überhaupt nicht. Die Eltern machen die Tochter mit einem Menschen bekannt, der doppelt so alt ist wie sie; die Mutter teilt ihr mit, daß Baron Innstetten um ihre Hand anhält. Effi, gewöhnt in allem auf die Eltern zu hören, gibt ihr Jawort. Innstetten braucht sich nicht anzustrengen, ihr Herz zu erobern: das besorgen der Titel, der Dienstgrad und die Stellung. Ihr Besitzer gilt a priori als edler, kluger, schöner Mensch und Familienoberhaupt. Die Mutter ist der Meinung, daß ihre Tochter eine glänzende Partie gemacht hat und mit zwanzig Jahren in der Gesellschaft eine Stellung einnehmen wird, wie andere sie erst mit vierzig Jahren erreichen. Selbst Effi hat mit ihren siebzehn Jahren sich diese in Adelskreisen traditionelle Ansicht über eine vorteil­hafte Ehe mit einem Menschenihres Kreises als Grundlage für Wohl­stand und Versorgung angeeignet. Eigentlich ist Effis Verlobung und Hei­rat im Wesentlichen eine Wiederholung der Verehelichung ihrer Mutter. Fontane hat auch der Aufdeckung der Untreue der Frau einen anderen Sinn gegeben. Nur durch einen Zufall findet Innstetten, fast sieben Jahre nach Effis Begegnung mit Crampas, in einem Nähtischfach die Liebes­briefe; daraus ergeben sich das Duell, Crampas Tod, der Zerfall der Familie Innstetten und Effis Untergang. Armand von Ardenne verdäch­tigte seine Frau, verfolgte sie und öffnete schließlich mit einem Nach­schlüssel die Kassette mit den Liebesbriefen. Warum wurde dieses Moment so wesentlich verändert? Fontane wollte vor allem die verderb­liche Macht der veralteten, überlebten Regeln vonEhre aufs schärfste verurteilen. Seit EffisVerbrechen sind sieben Jahre vergangen; Inn­stetten selbst glaubt, daß er die Kraft finden könnte, der Gattin zu verzeihen. Doch im Namen dereisernen Paragraphen des ungeschrie­benenEhrenkodexes opfert er sowohl das eigene Glück als auch zwei Leben, das von Crampas und Effi. Um so grell wie möglich das tragische