Bahnwärter fällt unter die Räder eines Zuges. „Ein schlechtes Vorzeichen“, bemerkt Anna mit zuckenden Lippen und unterdrücktem Weinen. Dieses Vorgefühl eines drohenden Unheils verstärkt sich noch, als Wronski unter einem fadenscheinigen Vorwand bei den Oblonskis auftaucht. Dieser späte Besuch schien allen etwas sonderbar, aber „am meisten von allen empfand es Anna als sonderbar und ungut“ (Band 6, S. 108). Ein Vorbote von Annas tragischem Schicksal ist der Alptraum, der einigemale wiederkehrt. Sie beschreibt ihn Wronski erst kurz vor ihrem Tod, als er das Erkalten seiner Gefühle zugegeben hat: „Ein kleiner alter Mann mit zerzaustem Bart stand über einen eisernen Gegenstand gebeugt, an dem er irgend etwas verrichtete, und murmelte dabei auf französisch sinnlose Worte vor sich hin“; und wie auch früher bei diesem Alptraum — und das war eben das Grauenvolle — schenkte ihr der Mann keinerlei Beachtung, obwohl er sein unheimliches Werk unmittelbar über ihr verrichtete (Band 7, S. 447).
Bevor Anna sich zum Selbstmord entschließt, sieht sie auf der Station einen zerlumpten, schmutzigen Bauer in einer Mütze, unter der die zerzausten Haare hervorhängen. Sie fühlt etwas Bekanntes an ihm und erinnert sich sofort ihres Alptraums. Und im letzten Augenblick ihres Lebens, bereits unter den Rädern des Zuges, als „etwas ungeheuer Großes, Unerbittliches... sie gegen den Kopf“ stieß und „sie am Rücken mit sich“ schleifte, als sie die Unmöglichkeit des Widerstandes fühlte, erhob sich aufs neue die Gestalt, die Anna in ihrem schrecklichen Traum gesehen hatte: „ Der kleine struppige Mann hantierte wieder, irgend etwas vor sich hinmurmelnd, am Eisen herum“ (Band 7, S. 470).
Genauso ist es bei Fontane: Effis Tragödie wird bereits in den ersten Kapiteln des Romans vargezeichnet — durch das Gespräch über das Los untreuer Frauen in Konstantinopel und durch den Ruf von Jahnkes Zwillingen: „Effi, komm!“ Selbst Innstetten, der nicht an Zeichen glaubt, kann sich eines seltsamen Gefühls nicht erwehren: „... war es ihm beständig, als wäre der kleine Hergang doch mehr als ein bloßer Zufall gewesen“ (S. 22). In der Duellszene gehen Innstetten und Wüllersdorf durch die mit buntem Gras bewachsenen Dünen zur Stelle des Treffpunktes: „Überall zur Seite standen dichte Büschel von Strandhafer, um diese herum aber Immortellen“. In diese karge, genau beschriebene Landschaft führt Fontane ein helles, symbolisches Detail ein, das den tragischen Ausgang des Duells andeutet: „...und ein paar blutrote Nelken.“ (S. 253).
Diese Momente haben bei Tolstoj und Fontane keinen mystischen, schicksalhaften Charakter, wenn ihnen auch eine gewisse Symbolik anhaftet, die sich jedoch — wie auch bei C. F. Meyer und Theodor Storm — in den Grenzen des Realen hält.
Die Szenen des Wiedersehens der Heldinnen mit ihren Kindern sind zweifellos in beiden Romanen die dramatischsten und stimmen in vielem überein. In Tolstojs Roman versucht Anna „legal“, mit Erlaubnis Kare- nins, sich mit Serjosha zu treffen, sie erhält jedoch eine verletzende Absage des ehemaligen Gatten und der Gräfin Lydia Iwanowna. Ihre