Heft 
(1977) 26
Seite
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entzückender Onkel August er war wirklich entzückend durch­aus hineingehörte. Wir wohnten Parterre. Das von mir bezogene Zimmer, das so feucht war, daß das Wasser in langen Rinnen die Wände hinunterlief, lag schon in einem uns von dem alten Juden­kirchhof abtrennenden Seitenflügel, welch letzterer sich, nachdem man einen kleinen, sich einschiebenden Zwischenflur passiert hatte, weit nach hinten zu fortsetzte. Was in diesem letzten Ausläufer des Seitenflügels alles zu Hause war, war mehr interessant als schön.

Man hat immer angenommen, daß es sich hier um das Haus Große Hamburger Straße 25 gehandelt habe, das an den Jüdischen Friedhof anstößt. Abgesehen davon, daß das zur Zeit Fontanes hier stehende Haus nur klein war und keinen Seitenflügel besaß, wurde das heute hier stehende Haus 1863 erbaut. Sein Seitenflügel stößt auch nicht an den Friedhof an. Hier also kann die Wohnung nicht gelegen haben. Vielmehr handelt es sich um das Doppelhaus Nr. 30 30a, wie es auch der Wohnungsanzeiger für 1836 ausweist. Das Haus war 1834/35 erbaut worden und gehörte dem Kaufmann Johann Peter Tondeur. Nach dessen Tode im Jahre 1842 wurde durch Erbgang das Nachbarhaus Nr. 30a abgeteilt. 1885 kamen beide Häuser in den Besitz der Sophiengemeinde; 1904/05 wurden sie zusammen mit den Nachbarhäusern abgerissen und die jetzt noch stehenden repräsentativen Wohnhäuser erbaut, die einen Durchblick auf den schönen Turm der Sophienkirche freilassen.

Theodor Fontane irrt in seinen Erinnerungen insofern, als er meint, die Hinterhäuser grenzten an den Jüdischen Friedhof; das war nicht der Fall, sie grenzten an den Sophien-Kirchhof. An anderer Stelle inVon Zwanzig bis Dreißig berichtet er, daß ein Mitbewohner des Hauses und Freund der Familie der Commissionsrat Kummer gewesen sei. Dessen Adoptivtochter war Emilie-Rouanet-Kummer, die spätere Frau des Dichters. Schon hier hatte er sie kennengelemt. Damals war auch Hermann Scherz, ein Gutsbesitzerssohn aus dem Ruppinschen, mit dem Fontane eine lebenslange Freundschaft verbinden sollte, ein Mitbewohner der Onkel Augustschen Wohnung.

Aus den trüben Verhältnissen bei Onkel August wurde der Jüngling erlöst durch den Eintritt als Lehrling in Wilhelm Roses Apotheke ,Zum weißen Schwan' in der Spandauer Straße 77/Ecke Heidereitergasse, am 1. April 1836. Wie es damals üblich war, wohnten Gehilfen und Lehr­linge im Hause des Prinzipals. So hatte auch Fontane ein Zimmer im Seitenflügel des Roseschen Hauses. Wilhelm Rose war seit 1818 im Besitz der Apotheke. Vorher hatte sie schon seinem Vater und Großvater gehört. Nachdem er sie 1845 verkauft hatte, starb er am 8. April 1847. In den fünfziger Jahren wurde das Haus neu gebaut; später bekam es bei einer Umnumerierung der Spandauer Straße die Nr. 40. Der letzte Vorkriegs­besitzer verlegte die Apotheke schließlich 1939 wegen der Abbruchpläne für die Neugestaltung Berlins' in die Rosenstraße.

Nach vorfristiger Beendigung der Lehrzeit am 9. Januar 1840 blieb Fontane noch bis zum Herbst bei Rose und ging dann nach Burg bei

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