Heft 
(1977) 26
Seite
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kirchplatz ein. In einem Brief an seinen Freund Wilhelm Wolfsohn schreibt er über seine Unterkunft im Hause des Prinzipals die für jene Zeit bezeichnenden Sätze:

... Hast Du denn aus den Leipziger und Dresdner Tagen her ganz vergessen, daß ein conditionierender Giftmischer ähnlich wohnt wie der Salzhering in der Tonne?'! Mein lieber Wolfsohn, so himmlisch ich es mir denke, mit Dir ein Stück Leben zusammen leben zu können, so unmöglich ist es doch: ich bewohne eine Schandkneipe, einen Hundestall, eine Räuberhöhle mit noch zwei andern deutschen Jünglingen und habe keine freie Verfügung über diese Schlafstelle, die viel vor Erfindung dessen, was man Ge­schmack, Eleganz und Comfort heißt, vermuthlich von einem Vandalen erbaut wurde.

Der Apothekenbesitzer Jean Auguste Ferdinand Jung obwohl eben­falls einer Refugiefamilie entstammend, kommt hier in kein gutes Licht. Wo Fontane sich tatsächlich zu Hause fühlte, zeigt seine Adresse aus jener Zeit: Bei Rat Kummer, Berlin, Zimmerstraße Nr. 2, p. Es war die Adresse seiner Braut! In der Jungschen Apotheke erlebte er die in Von Zwanzig bis Dreißig ausführlich geschilderten Ereignisse der Märzrevolution von 1848. Viele der Häuser, die in jenen Tagen eine Rolle spielten, wurden infolge der Umgestaltung des Alexanderplatzes in den Jahren 1927 bis 1931 abgebrochen, so als letztes im August 1931 auch das Haus mit der Apotheke ,Zum schwarzen Adler 1 . Das alte Apothekenhaus aus der Zeit Fontanes war schon in den Gründerjahren einem Neubau gewichen.

Auf Anerbieten des der Mutter befreundeten Pastors Schulz von der Diakonissenanstalt Bethanien nahm Fontane dort im Juni 1848 eine Stellung als Apotheker und Ausbilder zweier Diakonissen als Apotheker- Schwestern an. Hier lernte er u. a. den später so berühmt gewordenen Chirurgen Robert Wilms kennen. Er hatte von dessen Wohnung im Par­terre des links vom Hauptgebäude liegenden Ärztewohnhauses zwei Zimmer inne. Uber diese Zeit hinaus hatte sich nur ein loser Kontakt zu Wilms erhalten. Vielleicht sagt Fontanes Urteil über ihn alles:

Er hatte keine Spur von Witz und Humor und entbehrte alles geistig Darüberstehenden. Er wurde nur groß, wenn er das Sezier­messer in die Hand nahm.

Am 30. Septemrer 1849 endete Fontanes Tätigkeit in Bethanien. Fünf­vierteljahre einer Zeit, die der Dichter später als seine angenehmsten betrachtet hatte. Damit war aber auch die Apothekerlaufbahn beendet. Der Entschluß, sichauf jede Gefahr hin, auf die eignen zwei Beine zu stellen wurde gefaßt:

Nicht Leichtsinn oder Großmannssucht war für mich das Bestim­mende, sondern einfach Zwang und Drang der Verhältnisse, nüchternes Erwägen, und so nahm ich denn meine sieben Sachen und übersiedelte nach einer in der Luisenstraße gemieteten, an einer hervorragend prosaischen Stelle gelegenen Wohnung, dicht

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