schere als meine eigne. Da wir nur wenig Personen waren, etwa zwanzig, so hatten wir uns auch ein ganz kleines Hochzeitslokal ausgesucht, und zwar ein Lokal in der Bellevuestraße — schräg gegenüber dem jetzigen Wilhelmsgymnasium —, das ,Bei Georges“ hieß und sich wegen seiner ,Spargel und Kalbskoteletts“ bei dem vormärzlichen Berliner eines großen Ansehns erfreute. Dem Gastmahl voraus ging natürlich die Trauung, die zu zwei Uhr in der Foumierschen Kirche, Klosterstraße, festgesetzt worden war. Alles hatte sich rechtzeitig in der Sakristei versammelt, nur mein Vater fehlte noch und kam auch wirklich um eine halbe Stund« zu spät. Wir waren, um Fourniers willen, in einer tödlichen Verlegenheit. Er aber, ganz feiner Mann, blieb durchaus ruhig und heiter und sagte nur zu meiner Braut: ,Es ist vielleicht von Vorbedeutung — Sie sollen warten lernen“.“
Von 1850 bis 1857.
Das junge Ehepaar hatte seine erste gemeinsame Wohnung im Hause Puttkamerstraße 6, eine Treppe. Die Straße war erst 1845 zur besseren Verbindung zwischen Wilhelm- und Friedrichstraße angelegt worden. Es standen noch nicht viele Häuser, auch Fontanes Wohnhaus war erst 1847 erbaut worden; es gehörte einem Holzhändler Krüger. Nach der Erinnerung von Elise Weber, Fontanes jüngster Schwester, bewohnte das Ehepaar eine Vier-Zimmer-Wohnung, welche etwa 400 Taler Jahresmiete gekostet haben soll. Wenn auch die 40 Taler Monatssalär, die Fontane als Lektor bezog, keine großen Sprünge erlaubten, so erschien doch das Glück fast vollkommen, wie der heitere Brief an seinen Freund Friedrich Witte am 1. November 1850 zeigt:
„Ich schreibe Ihnen beim hellen Schein Ihrer Stobwasser’schen Lampe, für die ich mich — eingedenk der Talgmöpse, die ich noch vor sechs Wochen brannte — gedrungen fühle, wiederholentlich hiermit meinen Dank auszusprechen... Nun aber wollen Sie wohl erfahren, wie’s dem jungen Ehepaare geht. Nun, bis jetzt liegt kein Grund zur Klage vor; die Wohnung ist reizend, das tägliche Brot erscheint, gut zubereitet, als ,Gemüse und Fleisch“ auf dem zweigedeckten Tisch, die Betten (nichts Unerhebliches im Ehestande, wie Sie wohl gehört haben werden) sind mit Hülfe von Matratzen und Sprungfedern so bequem wie möglich, an Ruhe fehlt es nicht und an Arbeit auch nicht (dieser letztere Satz bezieht sich auf mein Leben im allgemeinen und nicht etwa auf die Betten), so daß ich — da sich das lachende Gesicht meiner Frau nur selten in Schmollfalten legt — ein undankbarer Esel sein müßte, wenn ich nicht voll Freude und Zufriedenheit sein wollte. Dann und wann beschleicht mich die ängstliche Frage: ,Wie aber, wenn es mit deiner Lektorschaft plötzlich ein Ende nimmt?“, doch hat ein bescheiden Stück Selbstvertrauen noch immer Kraft genug gehabt, der Frage mit einer tröstlichen Antwort zu begegnen ...“
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