Heft 
(1977) 26
Seite
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Seine Ahnung hatte den Dichter nicht getrogen: die Auflösung des Literarischen Büros zum 31. Dezember 1850 stellte das junge Paar vor eine trübe Zukunft; Fontane erklärte seiner Fraudaß nun jedes Hin­dernis beseitigt sei und das Hungern losgehen könne. Um sich eine zusätzliche Einnahme zu verschaffen, eröffneten sie zu Ostern 1851 eine Schülerpension in ihrer Wohnung. Die hierin gesetzten Erwartungen erfüllten sich nicht, der Ärger mit den rüpelhaften Jungen war für die junge Frau die zudem ihr erstes Kind erwartete zuviel. Die Schülerpension wurde aufgegeben, und die Familie bezog nachdem noch in der BWtkamerstraße am 14. August der erste Sohn George geboren worden war eine kleinere Wohnung in der Luisenstraße 35 (heute Hermann-Matem-Straße), drei Treppen. Als Untermieter zog Freund Fiedrich Witte mit ein. Die merkwürdige Situation in dieser Wohnung erwähnt Fontane schon in einem Brief an Witte vom 17. August 1851, in welchem er sich zuerst als neugebackener Vater vorstellt und dann weiter schreibt:

Bei der Wahl unserer Wohnung haben wir Fritz Witten nicht aus dem Auge verloren und werden zu Michaeli in die Luisen­straße Nr. 35 (neben Emst Schulze oder Rendant Müller, wo Sie mich mal hineinverschwinden sahn) übersiedeln. Sie erhalten ein sehr hübsches 2fenstriges u. geräumiges Zimmer, wenn Sies wünschen auch noch eine lfenstrige Stube daneben. Daß Sie durch mein Zimmer (das entreeartig ist und liegt) hindurch müssen, wird Sie der Sie schwerlich allabendlich mit einem ,Feger auf die Kneipe rücken werden kaum je genieren. ...

Aus diesen Zeilen kann man ersehen, daß diese Wohnung auch nicht viel kleiner als die vorherige gewesen sein kann, denn wenn Witte zwei Zimmer mieten konnte er wohnte bis 1853 dort so mußten für Fontanes doch auch noch zwei Zimmer verblieben sein. Der Grund des Umzugs von Puttkamerstraße nach Luisenstraße wird also nicht die Größe der Wohnung, sondern eher die Höhe der Miete gewesen sein. Zweifellos war diese hier niedriger. Daß die Luisenstraßenwohnung auch vier Zimmer hatte, wird in einem Brief an Wilhelm Wolfsohn bestätigt, worin Fontane schreibt:

.der beste Teil unserer Wohnung (Louisenstraße No. 35) ist

Chambre gamie vermietet, und nur zwei Zimmerchen sind uns zu unsrer Verfügung.

Das Haus war 1826 erbaut worden und gehörte damals dem Kreis- physikus Dr. Johann Daniel Karl Eduard Thümmel. Im Januar 1855 ging es an den Bäckermeister Friedrich Ferdinand Roeßler über. 1898 wurde es durch einen Geschäftshausneubau für die AEG ersetzt; nach einem Brand im Jahre 1928 erfolgte wiederum ein Neubau, der mit veränderter Fassade noch jetzt steht und von der Bewag genutzt wird. Fontanes wohnten hier vom 1. Oktober 1851 bis Ende September 1855. Die junge Familie durchlebte hier ihre schwersten Jahre. Die materielle Not des noch ungesicherten Schriftstellerdaseins war hier am größten,

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