Heft 
(1977) 26
Seite
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aber auch die seelische Not, besonders für die junge Frau Emilie; brachte sie doch 1852, 1853 und 1855 Kinder zur Welt, die bald nach ihrer Geburt den Eltern schon wieder genommen wurden. In die Zeit dieser Wohnung fiel auch Fontanes zweiter England-Aufenthalt von April bis September 1852. Neben seiner Tätigkeit für das wieder ins Leben gerufene Literarische Cabinett beim Ministerpräsidenten und seiner zeitweiligen Tätigkeit als Schlußredakteur bei der .Preußischen Zeitung, die wegen des Emblems im Kopf auch ,Adler-Zeitung genannt wurde, gab Fontane noch Privatunterricht für die Töchter der Familien Flender und von Wangenheim. Letzteren blieb er in lebenslanger Freundschaft verbunden. Ab Herbst 1854 gab er auch Geschiehtsvorträge bei zwei Offiziersfamilien seines früheren Regiments, die in der Holzmarkt­straße im Osten Berlins wohnten. Fontane erinnerte sich später daran: An diese Vortragsabende möchte ich hier gleich noch ein Gespräch knüpfen, das ich damals mit meinem Freunde und Gönner Geheim­rat Schnaase, führen durfte und das mir bei vorstehender Schilde­rung wieder in Erinnerung kommt. Ich war von meiner Woh­nung (Luisenstraße) auf dem Wege nach der Holzmarktstraße, als mir mitten Unter den Linden Geheimrat Schnaase begegnete. ,Nun, lieber Fontane, wohin?

,Ich will nach der Holzmarktstraße. Es ist etwas weit; in der Regel fahre ich. Aber es ist heute so schönes Wetter.

,In die Holzmarktstraße? Wie kommt denn das? Da wohnt ja niemand.

,0, da wohnen sehr nette Leute.

Ich nannte ihm nun die Namen der beiden Offiziersfamilien und daß ich dort Geschieh tsvorträge zu halten hätte; mein Freund Lepel, den er ja auch kenne, habe mir diese Einnahme verschafft. Er lachte. ,Ist es denn wenigstens einträglich?

,Ach, Herr Geheimrat, das kann ich nun freilich nicht sagen. An solchen Tagen wie heut wo man alles zu Fuß abmachen kann, nun, da geht es.

,Aber wenn es regnet...

,Ja, Herr Geheimrat, wenn es regnet. Und sonderbar, es regnet fast immer. Oder Ostwind, den ich nun mal nicht vertragen kann. Dann stellt es sich so: Droschke hin fünf Groschen, Droschke zurück fünf Groschen, Trinkgeld an den Diener fünf Groschen, Chemisetthemd drei Groschen. An solchem Tag schließe ich dann jedesmal mit drei Groschen minus ab.

Er nickte, riet mir auszuhalten, so ginge es im Leben, und dann schieden wir.

Ein Streiflicht auf die Verhältnisse in dem damals schon weiträumigen Berlin, in dem sich das Fehlen von preiswerten Massenverkehrsmitteln nachteilig bemerkbar zu machen begann. Aber bis zur Eröffnung der ersten Pferdebahnlinie sollte es noch elf Jahre dauern. Auch die damals schon bestehenden Omnibusgesellschaften brachten keine merklichen Verkehrsverbesserungen innerhalb der Stadt.

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