Heft 
(1977) 26
Seite
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Im August 1855 reiste Theodor Fontane diesmal in offiziellem Auftrag wieder nach England, um in London eine Deutsch-Englische Presse- Korrespondenz aufzuziehen. Die Wohnung wurde zum 1. Oktober auf­gegeben, und Frau Emilie zog mit dem Sohn zur Schwiegermutter nach Neuruppin. Die Absicht, diese Wohnung zu verlassen, hatten Fontanes schon ein Jahr früher gehabt, wie die Zeilen aus einem Brief des Dichters an seine Mutter vom 30. Dezember 1854 zeigen:

Das Einzige, was mich in meiner Freude hätte stören können, ist Emiliens andauerndes Unwohlsein. Sie ist in beständiger Angst und so wie der Wind ein bischen bläst, steigert sich die Todes­furcht bis aufs höchste. Die Weihnachtstage sind uns dadurch verdorben worden; ich fürchtete sogar, sie würde das Nervenfieber bekommen. Die Wohnung ist ihr durch das ewige Windgeheul (was allerdings bei uns stärker ist als irgendwo in der Stadt) total verleidet und wir werden zu Michaeli wahrscheinlich ausziehn. Im Januar 1856 reiste die Familie dann ebenfalls nach London, kehrte aber schon Ende Mai wieder in die Heimat zurück. Nach einigem Suchen fand Frau Emilie dann durch Vermittlung der befreundeten Familie von Merckel eine Wohnung im Hause Bellevuestraße 16. Merckels wohn­ten dicht dabeium die Ecke in der Potsdamer Straße 1. Bellevue­straße 16 war eine Villa, die 1836 von dem bekannten Architekten Eduard Knoblauch erbaut worden war. Als Fontanes dort wohnten, gehörte sie dem Geheimen Ober-Medizinal-Rat Dr. Casper. Die Miete für drei kleine Zimmer im Obergeschoß betrug lt. Wirtschaftsbuch 25 Taler und 15 Silbergroschen pro Quartal. Das Haus wurde 1907 für den Neubau des Hotels Esplanade abgebrochen.

In dieser Wohnung wurde am 3. November 1856 der fünfte Sohn, das zweite überlebende Kind, Theodor Fontane jr., geboren. Von Ende März bis Ende April 1857 weilte Theodor Fontane auf Urlaub in Berlin, um die erneute Übersiedlung der Familie nach London vorzubereiten, und Ende Juli traf Emilie mit den Kindern dann dort ein.

Von 1859 bis 1898.

Der Umschwung der politischen Verhältnisse in Preußen Ende 1858 beendete auch Fontanes Mission in London. Am 17. Januar 1859 traf er wieder in Berlin ein, während die Familie zwecks Auflösung des Haushalts noch in London verblieben war. Fontane stieg im ,Hotel de Pologne 1 , Dessauerstraße 38, ab, um von hier aus Wohnung, aber auch eine neue Stellung zu suchen; im ministeriellen Dienst oder als Redakteur. Das Quartier in der Dessauer Straße war wohl deshalb gewählt worden, weil Fontanes Freund Friedrich Eggers, Redakteur des Literaturblattes des .Deutschen Kunstblattes, dessen Nachfolge Fontane anzutreten hoffte, in der Nähe, in der Hirscheistraße 9 (später Königgrätzer Straße), wohnte. Auch viele andere Freunde zogen hierher, wie ja auch Fontane sich nie mehr ganz aus dieser Gegend lösen sollte. Das ,Hotel de Pologne, das vom Dichter alshöhre Berliner Räuber­höhle bezeichnet wurde, hatte er verlassen und am 22. Januar eine

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