Heft 
(1977) 26
Seite
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derweil nicht wie in einer Kaserne leben; das Studententum hat man nach gerade hinter sich.

In diesem Sommer 1859, von dieser Sommerwohnung aus, machte Fontane seine ersten Fahrten in die Mark Brandenburg, deren literarischer Erfolg sich in Zeitungsaufsätzen niederschlug, die den Grundstock zu seinen Wanderungsbänden bildeten.

Anfang Oktober 1859 erfolgte der Umzug in den Nachbarort Tempelhof, in das neuerbaute Haus Tempelhofer Straße 51. Fontane war nun also Tempelhofer geworden, denn 1859 gehörte dieser Teil des heutigen Bezirks Kreuzberg noch alsTempelhofer Unterland zu diesem Dorfe und wurde erst mit Wirkung vom 1. Januar 1861 nach Berlin ein­gemeindet. Der neue Stadtteil hieß dann offiziellTempelhofer Vor­stadt. Aus der Tempelhofer Straße wurde 1864 die Belle-Alliance Straße und nach 1946 der Mehringdamm. Das ehemalige Grundstück Tempelhofer Straße 51 ein Teilstück von Blücherplatz 1 ist jetzt Mehringdamm 1. Dieses Grundstück, auf dem jetzt die Gedenkbibliothek steht, gehörte damals dem Holzhändler Albert Degebrodt und kam 1889 an den Berliner Spediteur-Verein-AG. 1910 wurden die Häuser bis auf einen Rest des Fontane-Wohnhauses, in dem sich eine Depositen- kasse der Dresdner Bank befand, abgebrochen. Der Restbau wurde im zweiten Weltkrieg zerstört.

Nach dem Umzug schreibt der Dichter an seine Mutter nach Neuruppin am 26. Oktober 1859:

Wird sind nun allgemach in Ordnung und haben daran zu den­ken, wie wir unsere Briefschulden und andre Schulden abtragen wollen. Hinsichtlich der letzteren werden die Schwierigkeiten nicht imerheblich sein.

Zunächst von unserm Befinden. Emilie ist etwas matt und an­gegriffen (zum Teil infolge des Umzugstrubels), aber doch eigent­lich wohl und, kleine Anfälle abgerechnet,' heiter und zufrieden. George geht seit gestern in die Schule (Friedr.-Wilh.-Gymnasium) und scheint sich sehr zu gefallen. Der Engländer ist völlig aus- und der Berliner angezogen; in 6 Wochen wird man an seinem Sprechen nicht mehr merken, daß er auf der Hohen Schule des Anstands und der guten Sitte (England) so lange gelebt hat. - Der Kleine kränkelte 8 Tage lang in Folge der feuchten Wohnung, der Dunst und der Schimmel hat sich nun aber ziemlich verloren, und mit der bessern Luft ist auch der Kleine wieder besser geworden. Er ist possierlich und sehr zärtlich, aber ein furcht­barer Bock und bedarf der bekannten Vorlesungen aus Klopp­stock. l:

An seine Frau Emilie richtet er zum 14. November die Geburtstags- verseAn alter Stell, an neuer Stell, in denen die Teilnahme für die Sorgen und Mühen der vergangenen Monate und der Dank dafür, ihm, dem Schriftsteller, das Leben zu erleichtern, durchklingen.

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