herabhängenden Fetzen vielfach überklebter Tapeten hatten sie seit Aeonen sich ihre Nester gebaut. Dazu gesellten sich, namentlich in der Küche, als ebenbürtige Bundesgenossen die biederen Schwaben in einer kaum übersehbaren Heerschau.
In diesem fürchterlichen Chaos galt es nun Ordnung zu schaffen. Eine wahre Sysiphusarbeit mußte geleistet werden. Da darf es nicht Wunder nehmen, daß eine tüchtige Hausfrau oft zu verzagen drohte. Denn dieser Kampf gegen den ,Feind im Hause' ging fast schon über Menschenkräfte. Es kostete viele Tränen, bis es endlich unter Anwendung radikalster Mittel gelang, die Säuberung zu vollziehen, die Räume wohnlich, behaglich und besuchsfähig herzurichten. — Kein Geringerer als Richard Lucae, damals Direktor der Bauakademie, stand dem ihm befreundeten Ehepaar mit fachmännischem Rat zur Seite. Es wurde gründliche Arbeit getan. Die Wand, deren Fenster von dem Hinterzimmer aus spärliches Licht in den bösen Alkoven fallen ließ, mußte der Axt weichen. Und so reihte sich eine Verbesserung an die andre.“
Zurückschauend darf man wohl sagen, daß die Segenswünsche des Fräuleins von Rohr in Erfüllung gegangen sind. Theodor Fontane sollte diese Wohnung bis zu seinem Tode bewohnen.
Werfen wir nun einen Blick auf die Geschichte des Hauses. Sein Bau wurde im Jahre 1847 begonnen, fertig war es im März 1848. Es bestand aus dem Vorderhaus und zwei Seitenflügeln und hatte einen Feuerkassenwert von 10 825 Talern. Sein erster Besitzer war der Partikulier Carl August Karsch; nach weiteren zwei Besitzern kam das Haus im Dezember 1866 an die „Balley Brandenburg des ritterlichen Ordens St. Johannis vom Spital zu Jerusalem“. Daher wird Fontanes Wohnung auch gern als im „alten Johanniterhause“ gelegen bezeichnet, obwohl das Haus keineswegs alt war. Der Feuerkassenwert betrug übrigens 1872: 20 600 Taler, war also in 24 Jahren auf das doppelte gestiegen. Im Jahre 1905 erwarb die „Bazar-Aktiengesellschaft“ das Haus, ließ es abreißen und vom Architekten Ludwig Engel durch ein Geschäftshaus für die bekannte Modenzeitschrift ersetzen. Im zweiten Weltkrieg wurde dieses zerstört. Als Kuriosum sei erwähnt, daß das Haus als einziges in Berlin zwei Gedenktafeln für dieselbe Person — Theodor Fontane — trug; nämlich die erste, 1899 von der Stadt Berlin gestiftete auf dem Hofe des Neubaus, und die zweite 1906 vom Bauherrn gestiftete, als Ersatz für die im Format nicht mehr an die Fassade passende alte Tafel, an der Front des Neubaues.
Fontanes Wohnung lag wie gesagt im 3. Stockwerk. Aber es war keine Mansardenwohnung, wie der Dichter selbst, untertreibend, sie ein paarmal bezeichnete. Eine Mansarde ist eigentlich ein Ausbau im Dachgeschoß, während Fontanes Wohnung in einem voll ausgebauten dritten Geschoß lag.
Übrigens brauchten die im Brief vom 30. März 1872 vermuteten 100 Taler nicht mehr gezahlt werden. Für die neue Wohnung — 4 Zimmer
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