Heft 
(1977) 26
Seite
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In vorbildlicher Eintracht hatten Mutter und Sohn nun schon manches Jahr im bescheidenen Eigenheim in der Lindenstraße miteinander ge­schaltet und gewaltet. Der Kunstsinn unseres Pierre Barthelemy hatte die Wohnräume mit Geschmack ausgestattet. Da hingen schon wie dann später in der Löwenapotheke und jetzt wieder bei mir die zwei englischen kolorierten Kupfer, noch in ihren alten Mahagonie-Rahmen. Der bekannte große Cunninghamsche StichDer alte Fritz auf einem Schimmel sitzend, umgeben von seinen Generälen, schmückte gewiß auch schon damals die Wand über einem Sofa, wie viele Jahrzehnte lang, die Arbeitsstube meines Vaters. Da stand auch bereits einer der beiden Spieltische. Und endlich, da tickte in ihrem Kirschbaumgehäuse auch schon die alte Berliner Standuhr*, die so manche Generation unseres Geschlechts kommen und gehen sah. Bei ihrem Schlage wird auch das Profilbild in Bleistift und Pastell** gezeichnet worden sein, das ihr Sohn für die Familie festgehalten hat. Ein Jahr danach, fast siebzigjährig, hat die geborene Schröder dann für immer die Augen geschlossen. Ihren Herzenswunsch, den Sohn gut versorgt zu wissen, sah die alte Frau noch erfüllt. Schon ein Dreiunddreißig jähriger hatte sich Pierre Barthelemy endlich bequemt, mit der ersten Gattin vor den Traualtar in der Jerusalemerkirche zu treten. Krasses Hugenottentum prägt sich bei aller sonstigen Frömmigkeit in ihm nicht mehr aus, ist in der deutschen Gemeinschaft längst aufgegangen. Auch seine beiden anderen Ehen sind nicht mehr von französisch-reformierten Geistlichen eingeseg­net worden. Seine erste, nur um ein knappes Jahr jüngere Frau war eine geboreneDeubel. Die geborene Deubel wird Stammutter der zwei noch bestehenden Linien. Louis Henri Fontane, der Vater des Dichters, war ein Kind aus der ersten Ehe Pierre Barthelemy mit der geborenen Deubel.

Die nur sieben Jahre währende erste Ehe mit der geborenen Deubel stellt für unseren Pierre die Glanzzeit seines Lebens dar. Anscheinend in recht auskömmlichen Verhältnissen lebend, darf er der Neigung, mit Pinsel und Palette zu hantieren, nach Herzenslust nachgehen. Ob seine Aquarelle auch Käufer fanden, möge dahingestellt bleiben. Jedenfalls wurde der Zweck, sich bei seinem hohen Protektor, dem Kronprinzen und baldigen König in Erinnerung zu bringen, durch die ausgestellten Bilder erreicht. Nach der Anstellung als Kammerdiener darf er rasch die nächste Sprosse auf der Leiter emporsteigen, er ist auf dem besten Wege, Karriere zu machen. Aber schon naht auch das Verhängnis. Zum erst gelinde auftretenden Augenleiden gesellen sich Schicksalsschläge, am schlimmsten der frühe Verlust der geliebten Frau, die ihm zwei Knaben im zartesten Alter hinterläßt. Man kann dem jungen Witwer nachfühlen, daß er nach zwei Jahren die Trauerkleider wieder ablegt und das Risiko einer zweiten Ehe eingeht, schon um den verwaisten Kindern eine neue Mutter zu geben und wieder Ordnung im Hause zu haben. Auch seine noch lebende Mutter, die geborene Schröder, mag

* Heute im Heimat-Museum Neuruppin.

** Heute im Theodor-Fontane-Archiv.

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