Heft 
(1977) 26
Seite
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Sekretär Fontane:Es war im Anfang September 1802, da ich eben an einem Sonnabend an einem solchen Entwurf arbeitete, da wurde ich von einem Herrn in Reisekleidung überrascht, welchen ich in den ersten Minuten nicht zu erkennen vermochte. Da ich aber an Potsdam erinnert wurde, so fiel mirs wie eine Traumgestalt ein, daß es der geheime Kabinetts-Sekretär, Herr Fontane, war, dessen Versprechungen zu einem Besuch mir schon ganz wieder entfallen waren*. Niemand wird es mir verdenken, wenn ich sage, daß mir dieser Mann, wie weiland den Vätern des alten Bundes, ein wahrer Engel Gottes war. Er nahm keine Entschuldigung meiner Armut an, um ihn nach seinem Stande und meinem Wunsch einigermaßen bewirten zu können. Nein, er wollte und wünschte mal, mit mir recht einfach und freundschaftlich zu leben, und mit mir die schönen Harzgebirge zu bereisen, die er schon aus meinen ,Lustreisen in die Gegenden des Niederharzes hatte kennen- gelemt. Er nahm als ein edler Menschenfreund mit meiner einfachen Küche und Kost, zu welchen er noch sogar die Kosten bezahlte, gern vorlieb, und wünschte durchaus nichts Delikates bei mir, was meine Küche darreichen konnte, zu genießen. Er blieb vom 11. bis zum 18. Sep­tember bei mir. In dieser Zeit wurden zu Fuß alle die schönsten Gegen­den des Niederharzes durchwandert. Diese Wanderungen waren für denselben ein wahrer Himmel auf Erden. Meine Bekanntschaft mit allen den schönsten Gegenden und deren Geschichten machten ihm viel Ver­gnügen. Sein Tagebuch wurde reichlich mit allen den Gegenständen angefüllt, welche sich darboten und welche seine Vorstellungen weit übertrafen. Daß in diesen sieben Tagen unserer Wanderung sich die Herzen gegenseitig öffneten und so manches ausgesprochen und bespro­chen wurde, mag sich ein jeder leicht selbst sagen. Besonders wurde es benutzt, daß er die Armseligkeit und die Gutmütigkeit sowie die Tätigkeit der Einwohner und dann die elende Beschaffenheit der königl. Forsten genau kennenlemte. Alle Pläne und Entwürfe, welche ich darüber bearbeitet und eingereicht hatte, wurden ihm mit den abschlägigen Antworten darüber vorgelegt. Die Entwürfe waren mehrenteils über solche Geschäfte, deren Produkte keine teuren Materialien erforderten, und die Verkaufspreise mehrenteils nur für Verdienst oder Arbeitslohn waren, auch war die Baumzucht ein Hauptartikel dabei, indem beinah jedes Haus mit einem Garten versehen, der Boden und das Klima des Orts sich sehr gut dazu eigneten und zu jener Zeit die Baumzucht erst im Erwachen war. Für die Frauenzimmer waren das Spitzenklöppeln und andere feine Sachen, nebst Stricken u. dgl. in Anschlag gebracht. Dieses alles fand bei Herrn Fontane vielen Beifall.

Wir stellen abschließend fest, daß Pierre Barth61emy Fontane in seiner Stellung als Geheimer Kabinetts-Sekretär der Königin von Preußen ein recht einflußreicher Mann war, dessen Lebensauffassung und Handlungs­weise durch eine humane und menschenfreundliche Ethik bestimmt wurde, die sein Enkel, der Dichter Theodor Fontane, vereinfacht auf einen kurzen Nenner brachte:Mensch ist Mensch!

Das Haus, in dem Hauer 1802 Fontane empfing, ist heute in Bad Suderode (Ostharz) noch gut erhalten.

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