Phasen gespeister Sammelband vermag den weiten Weg Fontanes von den epigonalen Anfängen bis zum späten Durchbruch zur unverwechselbaren urbanen eigenen Handschrift von weltliterarischem Rang zu vergegenwärtigen. Denken wir nur daran, daß zur Zeit der sentimentalen romantischen Erzählung „Geschwisterliebe“ (1839) Georg Büchner mit der realistischen „Lenz“-Novelle bereits Prosa des 20. Jahrhunderts antizipiert hat. In den 50er Jahren beginnt Fontanes Prosa gegenständlicher und dichter zu werden, so in „Tuch und Locke“ und „Goldene Hochzeit“, die „Jagdgeschichten am Kap“ lesen sich wie verinnerlichter früher Freiligrath. Auch das „Wolsey“-Fragment bezeugt, etwa in der Beschreibung des Erzbischofs, einen Gewinn an Wahrhaftigkeit und Dichte. Der Realismus Fontanes in den 50er Jahren ist aber, insgesamt gesehen, ein äußerlicher Realismus, entsprechend der oberflächlichen Realismus-Definition im Aufsatz von 1853. In den 70er Jahren hört man in Fragmenten wie „Onkel Ehm“ und „Die goldene Hochzeitsreise“ erstmals den Fontane-Ton aufklingen. Mit „Allerlei Glück“ ist Fontane aus dem Aspekt der Entwürfe fest in den „Orden der Erzähler“ eingetreten. Mit „Storch von Adebar“ scheint sowohl vom Gehalt, von der ironischen Kritik an der Halbbildung herrschender Klassen wie vom tragikomischen Motiv des halben, durchschnitlichen Mannes her als auch durch die Tendenz zur intellektualisierten causeriehaften Formung die Selbstfindung Fontanes vollendet, soweit das eben angesichts eines Entwurfes gesagt werden kann. „Storch von Adebar“ verweist unmittelbar auf „Frau Jenny Treibei“ und läßt das Projekt der „Sidonie von Borcke“ eigentlich als archaischen Fremdkörper im Schaffen Fontanes erscheinen, der notwendig auch nur wenig ausgestaltet wurde. Der Band verdeutlicht also zunächst den weiten und widersprüchlichen Weg Fontanes, sein allmähliches Herausschreiten aus Epigonentum, Konservatismus und literarischer Durchschnittlichkeit, während Thomas Mann als sein Haupterbe erstaunlich frühreif begann und nicht zuletzt dank Fontanes so beginnen konnte.
Band XXIV beleuchtet ferner neben dem schon angedeuteten modifizierten Weiterwirken von Motiven und Gestalten das objektiv Majakowski verwandte Prinzip der vorerst noch nicht auf ein bestimmtes Werk gerichteten Präfabrikation von dichterischem Material. Er zeigt, wie stark Fontane als Erzähler von den Charakteren und vom Gespräch, ja von Akustischem ausgeht, wie sehr er in figuralen Kontrasten, in analogen und divergierenden Parallelfällen denkt und episdert, ohne Fabelzwängen zu erliegen. Querschnittsdarstellung liegt ihm ganz offensichtlich mehr als das Dichten in Längsschnitten. Mit alledem erweist er sich natürlich als ein Zeitgenosse naturalistischer und impressionistischer Ästhetik, der er aber nicht blind folgt, sondern durch die Ausprägung eines tief anrührenden relativ lebensähnlichen Realismus der Wirklichkeitsandacht und der behutsamen Antizipation nur sehr vermittelt und entsprechend selbständig verpflichtet ist.
Weiter lassen die Entwürfe infolge, ihrer Konzentration auf Wesentliches und Ursprüngliches die Eigenarten des Erzählers Fontane, vor allem
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