oder überhöht, das Häßliche poetisch verklärt und damit an emotionaler Kraft und Menschlichkeit gewinnt.
Originalität und Wahrheit der Empfindung
Fontanes Schönheitsvorstellungen in der bildenden Kunst, wie sie sich aus vielen einzelnen Äußerungen ergeben, sind, wenn auch nicht ganz ohne Widersprüche, immer wieder mit der Forderung nach Echtheit und Wahrheit verbunden. In der Frühzeit ergaben sich dabei, wie aus dem vorangegangenen ersichtlich, durch die Forderung, das Häßliche als Kunstgegenstand zu meiden, mitunter Diskrepanzen. Sie vermindern sich jedoch in späteren Jahren. Die Kategorie des Wahren gewinnt wachsende Bedeutung. Sie wird im Sinne der künstlerischen Wahrheit, im Sinne der Echtheit und Originalität und im Sinne der Wahrheit der Empfindung verstanden und provoziert Fontanes Auseinandersetzung mit dem Eklektizismus in der bildenden Kunst, Seine Haltung dazu wurde mit zunehmendem Alter kritischer. Die Kritik galt allgemein anerkannten Kunstidealen, von denen er sich nicht vollständig zu lösen vermochte, aber um sie überhaupt und so weitgehend wie er infrage stellen zu können, bedurfte es des Mutes, sich über gültige Tabus hinwegzusetzen. Wie schwierig dieser Prozeß war, zeigt sich am deutlichsten in seinen Bemerkungen zur zeitgenössischen Architektur, in der der Eklektizismus am meisten verbreitet war.
Wie seine Zeitgenossen betrachtete er zunächst die Nachbildung historischer Stile in der Baukunst als legitimes künstlerisches Anliegen seiner Zeit.
In dem Kapitel über Karl Friedrich Schinkel in den „Wanderungen“ schreibt er dazu: „Der Eklektizismus — der heutzutage in allen Künsten, am meisten aber in der Baukunst vorherrscht und der, weil er beständig zu Prüfung und Vergleich auffordert, auch die kritische Begabung weit über alles andre hinaus ausbildet — der Eklektizismus, sag’ ich, mußte schließlich notwendig dabei ankommen, unter dem Verschiedenen, das sich ihm darbot, das Einfachere, das Stil- und Gesetzvollere, vor allem das Ausbildungsfähigere zu adoptieren. Wenn Schinkel nicht dabei anlangte, so würde doch die Wiederbelebung der Gotik, natürlich vom Kirchenbau abgesehen, immer nur eine gotische Episode geschaffen haben. Schinkel hat uns vor dieser Episode bewahrt .“ 1 ' 1 Der Abschnitt ist in mehrerlei Hinsicht aufschlußreich. Zunächst dadurch, daß Fontane neue Möglichkeiten der Kunstentwicklung im Eklektizismus sieht. In der Nachbildung der historischen Stile, die ihr gründliches Studium voraussetzt, sieht er offensichtlich die Basis für die Entwicklung einer hohen künstlerischen Kritikfähigkeit. Fontane folgt damit damals verbreiteten Vorstellungen. Darüber hinaus weist der oben wiedergegebene Text, wie überhaupt das gesamte Schinkel-Kapitel, auf Fontanes positives Verhältnis zum Klassizismus. Zu Beginn der sechziger Jahre finden sich bei Fontane noch Äußerungen zugunsten neugotischer Bauwerke. Sie sind in den Aufsätzen über den berühmten englischen
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