Heft 
(1978) 27
Seite
182
Einzelbild herunterladen

Neugotiker Sir Gilbert Scott und über Sir Charles Barry beide 1862 inMänner der Zeit veröffentlicht enthalten. In dem Aufsatz über Sir Charles Barry verteidigt er die Neuen Parlamentshäuser in London gegen ihre Kritiker und preist die Schönheit der baulichen Anlagen. M Daß er sein Urteil im Laufe der Jahre korrigiert hat, zeigen seine Notizen in einem italienischen Reisetagebuch von 1875. Beim Anblick des Mailänder Domes erinnerte er sich an die Parlamentshäuser und schreibt über Dom und Parlamentshäuser:Colossalität, ungeheurer Detail-Reichthum, aber keine volle künstlerische Einheit, hier und dort Geschmackloses.

Das Problem des Eklektizismus berührt er auch in seinen Bemerkungen über die italienische Renaissancearchitektur, die an Wert für ihn verliert, nachdem er festgestellt hatte, daß so viele Bauwerke gleicher Art existieren und man auch in seiner Zeit diesen Stil nachzubilden ver­steht. Hier erweist er sich, trotz der zum Ausdruck kommenden Bedenken gegen das Eklektische, ganz als Kind seines Jahrhunderts. D. h., der Qualitätsunterschied zwischen der originalen Renaissancearchitektur und der Nachbildung des 19. Jahrhunderts wurde nicht empfunden, die lern- und lehrbaren Stilmerkmale gaben den Ausschlag für die Beurteilung. Sehr deutlich hat er den Unterschied zwischen Original und Nachbildung jedoch bei der Villenarchitektur gesehen, die er im IV. Bande der Wanderungen in dem Kapitel über die Schiffsreise auf der Spree beschreibt. Uber diese mehr oder minder erbärmlichen Nachahmungen, in denen er zugleich ein Symbol des verachteten Bourgeoisgeistes, des Geistes der Neureichen erblickte, machte er sich lustig:Eingesprenkelt in diese Meiler und Eiswerke, die auf weithin die Ufer beherrschen und ihnen den Charakter geben, präsentierten sich auch Villenanlagen, die in allen erdenklichen Spielarten, namentlich im italienischen und englischen Kastellstil, zu uns sprachen. Dicke und schlanke Flachtürme, mit Pfeilern, Sims und Balustrade. Alles in allem ein wunderbarer Anblick, der, nach mehr als einer Seite hin, zu denken gibt. Geflissent­lich an den unübertroffenen Vorbildern Schinkels und seiner Schule vorübergehend, wie sie die Villenstraßen des Tiergartens aufweisen, gefällt sich der Bourgeois unserer östlichen Stadtreviere darin, seinen ,Donjon, und, wenn es sein kann, selbst seinen .Belfroi zu haben. Und dieser Schiefheit des Gedankens entspricht die Ausführung, die er erfährt. 15

Einige Passagen über den gotischen Kirchenbau inAus den Tagen der Okkupation enthüllen Gedanken, die weit über die damals allgemein verbreiteten Architekturauffassungen in die Zukunft hinausweisen. Er wendet sich darin nicht allein dagegen, einem speziellen historischen Baustil eine absolute Verehrung zukommen zu lassen, sondern löst sich auch von der Vorstellung der Wiederholbarkeit historischer Baukunst. Er erkennt, daß das Vermögen gotische Dome zu bauen an eine be­stimmte historische Epoche gebunden war und stellt den Werken der Vergangenheit große Leistungen des Ingenieurbaus und der Technik als Ausdruck der eigenen Zeit gegenüber.

182